Gentechnik Teil 3: „Traditionelle“ Gentechnologie

Jean-Marc NeuhausBlog, Wissenschaftliche MethodikLeave a Comment

Dies ist Teil 3 von 4 der Gentechnik-Serie Alte und neue Gentechnologien im Vergleich.

Zusammenfassung

  • Seit den 1980er Jahren ist es möglich, ein Gen eines Organismus in einen anderen einzuführen (künstliche Transgenese). Dies geschieht in den meisten Tieren und Pflanzen ungezielt, das heisst jedes Mal an einem anderen Ort in irgendeinem Chromosom. Man wählt deshalb aus mehreren Linien diejenige aus, die die gewünschte Eigenschaft, aber keinen Schaden am betroffenen Chromosom hat. Diese transgenen Pflanzen werden seit dreissig Jahren auf Millionen von Hektaren kultiviert und haben keine negativen Folgen der Transgenese gezeigt.
  • Als Cisgenese bezeichnet man die Einführung eines Gens, das man im Prinzip durch Einkreuzung auch hätte einführen können.
  • Bei Pflanzensorten, die über Stecklinge, Propfen, Ausläufer oder Knollen vermehrt werden (Obstbäume, Reben, Bananen, Kartoffeln) ist es nicht möglich, eine gewünschte Eigenschaft aus einer anderen Sorte oder Art einzukreuzen, ohne die spezifischen Qualitäten der Sorte zu verlieren. Manche dieser Sorten sind auch steril und können gar nicht gekreuzt werden. Durch Cisgenese war es aber zum Beispiel möglich einen schorfresistenten Gala-Apfelbaum zu erhalten.  
  • Transgene Pflanzen wurden im Jahr 2019 in 29 Ländern auf 190 Millionen Hektaren (zehnmal die Anbaufläche in Deutschland) angebaut. Für Hauptkulturpflanzen werden in mehreren Ländern über 90% der Flächen mit diesen Pflanzen angebaut. Weitere 42 Länder importieren Produkte dieser Kulturen für Nahrung, Tierfutter oder andere Nutzungen. 
  • Es gab keine grösseren Probleme mit diesen Pflanzen.

Transgene (oder cisgene) Organismen

Viele Probleme in der Landwirtschaft lassen sich nicht einfach durch die Entwicklung neuer Sorten oder durch bessere Kulturmethoden beheben. Viele Nahrungsmittel gehen durch Krankheiten und Schädlinge während und nach der Produktion verloren. Es gibt aber in anderen Organismen genetische Ressourcen, die solche Verluste reduzieren können. Diese Gene können jetzt in Kulturpflanzen eingeführt werden.

Bakterien konnte man seit 1928 mit fremder nackter DNA „transformieren“, Hefen seit 1960. Die Transformation von Pflanzenzellen wurde in den 1980er Jahren entwickelt. Agrobakterien (siehe Teil 1, natürliche Transgenese) wurden damals auch manipuliert, damit sie statt der eigenen Tumorgene andere Gene in die Pflanzenzellen einschleusten. Aus den so manipulierten Pflanzenzellen entstanden die ersten transgenen Pflanzen. Man kann die Pflanze auch mit Metallkörnchen beschiessen, die die DNA in die Zellen mit hineinbringen. Da beide Verfahren die fremde DNA irgendwo ins Genom einsetzen, hat jede transformierte Pflanze die Fremd-DNA an einem anderen Ort, was unter Umständen ein Gen beschädigen kann. Man muss mehrere Pflanzen transformieren und daraus eine Linie auswählen, die keinen Schaden davongetragen hat, um daraus eine neue Sorte zu entwickeln. 

Trans– heisst jenseits, cis– heisst diesseits. Wenn die eingeführten Gene von einer weit entfernten Art stammen, spricht man von transgenen Pflanzen. Hätten diese Gene aber im Prinzip eingekreuzt werden können, spricht man von cisgenen Pflanzen. Da Einkreuzungen bei Bäumen sehr lange brauchen, hat man zum Beispiel ein Resistenzgen einer Wildapfelart in die Apfelsorte Gala eingeführt und damit eine Feuerbrand-resistente Gala erhalten.

Tiere kann man durch Mikroinjektion von DNA in embryonalen Zellen genetisch manipulieren. Da transgene Mäuse leicht produziert werden können, stellen sie die grosse Mehrheit der Versuchstiere in der biomedizinischen Forschung.

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Bild 7. Cis- und Transgenese
Ein Gen eines anderen Organismus kann in eine Kulturpflanze eingeschleust werden. Da das Gen zufällig irgendwo in einem Chromosom eingefügt wird, sind die transgenen Pflanzen alle voneinander verschieden. Daraus wählt man eine Linie zur Vermehrung. Hätte das Gen auch durch Einkreuzung eingeführt werden können, spricht man von cisgenen, sonst von transgenen Pflanzen (cis heisst diesseits, trans jenseits der «Kreuzungsgrenze»).

Die ersten agronomischen Anwendungen waren die Herbizid- und die Schädlingsresistenzen. Die Herbizid-Resistenz ermöglicht es, die Unkräuter zu bekämpfen, nachdem die Nutzpflanze schon gewachsen ist. Es ist nicht mehr nötig zu pflügen, was viele Bodenlebewesen schont und kein Treibhausgas aus dem Boden freisetzt. Bei südafrikanischen Kleinbauern bedeutet es auch, dass die Kinder Zeit haben, in die Schule zu gehen, statt Unkräuter auszureissen. 

Die Kultur der Papaya auf Hawaii wurde durch einen eingeschleppten Virus massiv getroffen. Innert weniger Jahre wurde eine transgene resistente Sorte entwickelt, die die ökonomisch wichtige Produktion so effizient rettete, dass sogar die lokale anti-GVO Organisation sie befürwortet. 

Seit zehn Jahren kultivieren Kleinbauern in Bangladesch eine schädlingsresistente Aubergine, müssen nicht mehr alle zehn Tage Insektizide sprayen, schonen so die Umwelt und die eigene Gesundheit, sparen die Kosten und erhalten bessere Ernten. 

Eine in Nigeria beliebte Kartoffelsorte ist dank drei Resistenzgenen aus verwandten Arten so Mehltau-resistent, dass sie ganz ohne Pestizide auskommt.

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Bild 8. Feldversuch einer Mehltau-resistenten cisgenen Kartoffel in Uganda. Victoria ist die beliebteste Sorte in Ostafrika. Dort gehen ohne Fungizide bis zu 60% der Ernte verloren. Drei Resistenzgene (3R) aus Wildkartoffeln wurden in diese Sorte eingeschleust. Die 3R Victoria Kartoffeln sind hier 100% resistent gegen den Mehltau, der die Victoria Kartoffeln innert 20 Tagen alle getötet hat. (Byarugaba, et al. (2021). Biology 10, 952).

 Der Nährstoffgehalt der Kulturpflanzen kann auch verbessert werden. In Gegenden, wo Reis das Hauptnahrungsmittel ist, leiden viele Kinder an Vitamin A Mangel. Jedes Jahr erblindet deshalb eine halbe Million Kinder. Die Hälfte wird auch wegen Immunschwäche an vermeidbaren Krankheiten sterben. Deshalb wurde Golden Rice entwickelt, eine Reissorte, die grössere Mengen beta-Carotin (Provitamin A) in den Körnern enthalten. Seit bald dreissig Jahren wird dieser Reis ausgiebig getestet und ist für sicher gefunden worden. So lange schon setzen ohne triftigen Argumente NGOs wie Greenpeace grosse Mittel, um ihre Einführung durch Angstkampagnen zu verhindern. Die Produktion wurde 2023 in den Philippinen bewilligt, aber nochmals von Greenpeace beim Obersten Gericht angefochten und gestoppt. 

Unterdessen werden Reissorten auch noch verändert, um mehr Eisen und Zink zu akkumulieren oder um weniger Arsen aus dem Boden aufzunehmen, was in Bangladesch ein Problem ist.

Verbesserung alter Sorten von Fruchtbäumen, Reben oder Kartoffeln: Gentechnologien ermöglichen sie.

Viele alte Sorten werden seit Jahrzehnten, zum Teil auch seit Jahrhunderten vegetativ vermehrt, das heisst man vermeidet die genetische Neudurchmischung der sexuellen Vermehrung, indem man die Pflanzen über Stecklinge, Pfropfen, Ausläufer, Knollen, usw. vermehrt. Diese traditionellen Klonierungsverfahren haben uns die besten Resultate zufälliger Kreuzungen erhalten. Ihre Chromosomen sind noch bunter rekombiniert als die der Kinder in Bilder 1 oder 2 (Teil 1.). Hochgeschätzte Rebsorten (Chasselas, Pinot Noir, usw.) sind zum Teil seit dem Mittelalter bekannt. Bananen oder manche Kartoffelorten (z.B. Bintje) sind auch steril, können also gar nicht gekreuzt werden. Es wäre aber für die Umwelt, die Produzenten und die Konsumenten besser, wenn diese traditionellen Sorten resistenter gegen Krankheiten oder Schädlinge gemacht werden könnten, um die Benützung synthetischer oder «biologischer» Pestizide zu vermeiden. Da die Einführung einer Resistenz durch Einkreuzung unmöglich ist, können nur Gentechnologien helfen. Bei Cis- und Transgenese wird das Gen irgendwo zufällig ins Genom eingesetzt, mit den neuen Genomedition (siehe Teil 4) ist es mittlerweile auch möglich, den Ort auszuwählen. Neben dem bereits erwähnten Schorf-resistenten Gala-Apfel gibt es mittlerweile auch in Ostafrika entwickelte lokale Pilz- oder Bakterien-resistente Bananen, deren Anwendung aber wiederum von GVO-Gegnern noch verzögert wird. 

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Bild 9. Alte Sorten können nach einer Kreuzung nicht mehr zurückgekreuzt werden, sie können aber durch Cis- oder Transgenese, oder durch Genomedition neue Eigenschaften gewinnen.

Alte Sorten, die vegetativ vermehrt werden, also über Stecklinge, Pfropfen, Knollen, usw., sind genetisch sehr komplex, da ihre Chromosomen von verschiedenen Eltern stammen. Wegen der Chromosomenrekombinationen bei jeder Generation gibt es also keinen Weg zurück zur alten Sorte mit einer neuen Eigenschaft. Es ist aber möglich, ein Gen einer Wildpflanze in die alte Sorte einzuführen, ohne die Balance ihrer Gene zu zerstören. Das Gen wird durch Cis- oder Transgenese irgendwo ins Genom eingesetzt, oder durch Genomedition an einem ausgewählten Ort eingeführt.

Bisherige Erfahrungen mit transgenen Pflanzen.

Seit über dreissig Jahren werden transgene Pflanzen angebaut und ihre Produkte konsumiert. In den USA sind es mittlerweile (2023) 93-97% aller Mais-, Soja-, Baumwolle-, Zuckerrüben- und Rapskulturen. Dazu kommen kleinere Flächen mit Luzerne, Kürbis, Papayas, Kartoffeln und Apfelbäumen. Insgesamt wird 60% der Anbauflächen mit transgenen Pflanzen bewachsen.

Weltweit wurden 2019 190 Millionen Hektaren in 29 Ländern angebaut. Hauptproduzenten neben den USA sind Brasilien, Argentinien, Canada und Indien. Angebaut werden auch noch Zuckerrohr, Öldistel, Auberginen und Ananas. Weitere 42 Ländern (inklusive die EU und die Schweiz) importieren transgene Produkte für Nahrung, Tierfutter und andere Anwendungen.

Nachdem keine grösseren Probleme aufgetaucht sind, haben die USA im Jahr 2021 die Bewilligung von neuen transgenen Pflanzen mit bekannten Merkmal-Wirkungsmechanismen dereguliert. Dies betrifft 232 verschiedene Gene und Genkombinationen, für die es Sicherheitserfahrungen gibt. Neue Mechanismen müssen weiterhin die bisherige Prozedur durchlaufen.


Zum Autor Jean-Marc Neuhaus

  • 1982 Dr. phil. in Biochemie, Biozentrum Basel
  • Seit 1984 Pflanzen-Zell- und Molekularbiologe
  • 1995-2018 Professor für Biochemie und Molekularbiologie, Universität Neuchâtel

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