Das grösste Telekomunternehmen der Schweiz, Swisscom, unterhält ein Email- und News-Portal namens Bluewin (Bluewin ist eine historische Marke der Swisscom1). Bluewin gehört zu den meistgenutzten Nachrichtenportalen der Schweiz2. Wie viele Menschen die Inhalte auf Bluewin wirklich lesen, ist nicht ganz klar, denn ein grosser Teil der Bluewin-Nutzerinnen und -Nutzer dürfte Bluewin lediglich aufrufen, um sich in ihr Email-Konto einzuloggen. Aber immerhin, Bluewin hat eine sehr grosse Reichweite in der Schweiz.
Die News-Inhalte auf Bluewin haben tendenziell einen boulevardesken Einschlag: Kurze, knackige Stories mit einem Hang zu Human Interest3 und mit Clickbait4-Potenzial.
So weit, so unspektakulär. Zu denken gibt aber der Umstand, dass ein Teil des Inhaltes auf Bluewin aus Astrologie besteht:
Man mag als kritisch denkende Person ob solcher Beiträge mit einem resignierten Seufzer reagieren. Astrologische Inhalte auf Bluewin werfen aber einige Fragen auf, die für die breitere Öffentlichkeit von Belang sind.
Funktioniert Astrologie?
Warum glauben Menschen trotzdem an Astrologie?
Wir Menschen haben die Tendenz, vage und allgemein gehaltene Persönlichkeitsbeschreibungen so zu deuten, als ob sie unsere eigene Persönlichkeit sehr genau und präzise beschreiben. Diese kognitive Verzerrung wird bisweilen als Barnum-Effekt beschrieben12 13 14 15 16.
Zudem verfügen Astrologinnen und Astrologen als Autoritätsfiguren über ein nicht zu unterschätzendes Mass an persuasiver Kraft: Dadurch, dass Astrologinnen und Astrologen mit voller Überzeugung ihre Glaubenssätze und Dienstleistungen verfechten, können sie Menschen davon überzeugen, dass das, was sie behaupten, wahr ist.
Ist Astrologie bei Bluewin (also bei Swisscom) ein Problem?
Ja, und zwar in mindestens dreifacher Hinsicht.
- Erstens erweckt die Präsenz von Astrologie auf einer News-Webseite den Eindruck, Astrologie funktioniere.
- Zweitens sollte Swisscom als Unternemen, das mehrheitlich in öffentlichem Besitz ist17, zum Ziel haben, das Gemeinwohl zu maximieren. Es kann natürlich darüber gestritten werden, was genau „Gemeinwohl“ ausmacht – das Verbreiten der Pseudowissenschaft der Astrologie gehört vermutlich nicht dazu.
- Drittens ist es anachronistisch, wenn ein Hightech-Unternehmen wie die Swisscom eine seit Jahrzehnten, wenn nicht gar seit Jahrhunderten mit guten Gründen als irrational erachtete Lehre wie die Astrologie fördert.
Was sollte Swisscom machen?
Idealerweise streicht Swisscom Astrologie aus dem publizistischen Angebot von Bluewin.
Falls Swisscom Astrologie auf Bluewin beibehalten möchte, dann sollten astrologische Inhalte klar als nicht ernst zu nehmender Zeitvertrieb markiert werden. Zum Beispiel folgendermassen:
References
- “Der Tag, an Dem Das Internet Kam | Swisscom Storys.” 2017. Accessed July 13. https://www.swisscom.ch/de/storys/technologie/internet-schweiz-20-jahre-bluewin.html.
- “NET-Metrix-Audit.” 2017. Accessed July 13. https://netreport.net-metrix.ch/audit/index.php.
- Hughes, Helen MacGill. 1940. News and the Human Interest Story. Transaction Publishers.
- Gardiner, Bryan. 2015. “You’ll Be Outraged at How Easy It Was to Get You to Click on This Headline.” WIRED. https://www.wired.com/2015/12/psychology-of-clickbait/.
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- “Besitzstruktur Zusammensetzung Aktionariat | Swisscom.” 2017. Accessed July 13. https://www.swisscom.ch/de/about/investoren/aktie/besitzstruktur.html.
One Comment on “Astrologie beim Telekomunternehmen Swisscom”
Ach, schon wieder „usual suspect“ Kissling ! Nun auf BLUEWIN ? : skandalös !
Und was an dieser Astro-Tante besonders nervt : die hat überhaupt keinen Humor…reagiert auf Kritik
(z.B. von Hugo Stamm in Diskussionssendung(en)) sehr gereizt und überfordert statt cool & souverän !