Auch in unserer aufgeklärten Zeit bleibt es immer wieder aufs Neue ein grossartiges Erlebnis, in einer klaren Nacht den Sternenhimmel zu betrachten. Daran ist nichts falsch, und es spricht nicht das Geringste dagegen, sich von diesem Anblick bewegen, ja verzaubern zu lassen. Allerdings verfügen wir heute über etwelches wohlbegründetes Wissen über die Strukturen des Universums: Die Erde liegt nicht im Zentrum, die Sterne sind nicht auf einer Unterlage fixiert, und die Planeten wandern nicht auf erratischen Bahnen herum. Somit beschreiben Sternbilder und Tierkreiszeichen keine Realitäten, sondern sind blosse Projektionen von menschlichen Ideen und Vorstellungen auf die vom zufälligen Ort unserer Erde und vom zufälligen Zeitpunkt unserer Existenz abhängigen, zweidimensionalen Erscheinungsbilder der räumlichen Verteilung der Sterne.
Die heutigen Astrologen wissen das natürlich auch, und sie wenden sich daher immer mehr davon ab, allzu simple Zusammenhänge zwischen Sternbildern, Tierkreiszeichen und den Bedingungen des menschlichen Lebens zu postulieren; das überlassen sie lieber den Textbaustein-Zufallsgeneratoren, mit welchen die Zeitungshoroskope erstellt werden. Dafür gewinnt eine andere, jedoch ebenso pseudowissenschaftliche Lehre an Bedeutung: das Prinzip «wie am Himmel, so auf Erden». Dieses besagt, dass zwar keine direkten Einflüsse der Sterne auf unser Leben bestehen, dass jedoch sowohl die Bewegungen der Gestirne als auch die Geschehnisse auf der Erde den gleichen, universellen Prinzipien unterliegen, und dass deshalb Analogien zwischen diesen beiden Ebenen bestehen, die mit den Methoden der Astrologie herausgearbeitet werden könnten.
Dieses Konstrukt verdient eine nähere Betrachtung.
Es ist eine der wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass es allgemeingültige Naturgesetze gibt. Sicher, viele davon wurden im Laufe der Zeit umformuliert, erweitert oder als Spezialfälle einer allgemeineren Gesetzmässigkeit erkannt. Die Spektrallinien im Licht ferner Sterne beweisen aber, dass die Naturgesetze auch für extrem ferne Galaxien und in fernster Vergangenheit in sehr engem Rahmen die gleichen gewesen sein müssen wie heute auf der Erde.
Wenn man nun aber daraus schliessen wollte, dass nicht nur diese Naturgesetze allgemein gültig sind, sondern dass auch besondere Beziehungen zwischen den Bewegungen der Gestirne und dem menschlichen Leben bestehen, dann betreibt man eine völlig unbegründete Verallgemeinerung. Ähnliche Denkmuster sind auch in anderen Bereichen verbreitet; offenbar verführen Analogien in ganz unterschiedlichen Bereichen oft zu der Annahme, dass diese Dinge doch „irgendwie zusammenhängen” müssten. Bekannt sind derartige Fehl- und Kurzschlüsse etwa aus den Begründungen esoterischer Lehren mit Hilfe der Quantenmechanik, aus den Grundannahmen der Homöopathie oder aus der Wahrsagerei, beispielsweise mit Hilfe von Tarotkarten. Hier überall spielen herbeigeredete Analogien und das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung eine entscheidende Rolle.
Typisch für derlei Systeme ist es auch, dass sie sich weltweit in ganz verschiedenen Ausprägungen entwickelt haben: die europäische Astrologie hat ebensowenig mit der chinesischen gemeinsam wie die Voodoo-Heilkunde mit der Homöopathie. In dieser Hinsicht sind diese Lehren eher mit den verschiedenen Religionen als mit wissenschaftlichen Disziplinen zu vergleichen.
Selbstverständlich können beobachtete Analogien Hinweise auf echte Zusammenhänge liefern. Aber eben, es sind bloss Hinweise; um sie zu erhärten, braucht es methodisch korrekte, belastbare Untersuchungen. Wo solche in den genannten Bereichen durchgeführt wurden, lieferten sie nie irgendwelche Resultate, die den Schluss auf echte Verbindungen erlaubten. Homöopathie ist Placebo-Medizin, Wahrsagen ist Phantasterei, und Astrologie hat nichts mit den Bedingungen des menschliches Lebens zu tun: Das sind die Schlüsse, die wir aus allen Erkenntnissen zu ziehen haben, die uns heute vorliegen.