Der Beirat, das unbekannte Wesen

Werner HoffmannBlogLeave a Comment

Vereinsmitglieder, Vorstand, Revisoren… darunter können sich die meisten Leute etwas Konkretes vorstellen, sogar solche, die in gar keinem Verein tätig sind. Was aber ist ein wissenschaftlicher Beirat?

Kurz gesagt, es ist eine Gruppe von Fachleuten, die bei allen Aktivitäten beratend hinzugezogen werden können, um sicherzustellen, dass die verwendeten Argumentationen korrekt sind und auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis beruhen.

Die Mitglieder des Beirates hätten demnach eigentlich eine sehr wichtige und nützliche Funktion. Allerdings mussten wir feststellen, dass diese in den letzten Jahren kaum wirklich zum Tragen kam: nur sehr selten fanden solche Konsultationen statt. Und dies beileibe nicht etwa, weil die Beiratsmitglieder unwillig oder schwer erreichbar gewesen wären – ganz im Gegenteil: es war der Vorstand, der diese Möglichkeit zu wenig nutzte. Hier ist also ganz klar eine Selbstkritik am Platze.

Um dies zu ändern und eine bessere Einbindung der enormen Expertise unserer hochqualifizierten Beirätinnen und Beiräte in unsere Vereinsaktivitäten anzustossen, führten wir ein Treffen der Beirats- und Vorstandsmitglieder durch. Bedauerlicherweise konnten nicht alle Beiratsmitglieder daran teilnehmen; dennoch entwickelte sich ein sehr engagiertes und ideenreiches Gespräch. Einige der wichtigsten angesprochenen Punkte waren:

  • Wissenschaftskommunikation sollte nicht nur Resultate vermitteln, sondern auch die Prinzipien des zugrundeliegenden Erkenntnisprozesses; so war es z.B. zu Beginn der Covid-Pandemie unvermeidbar, dass mit (teilweise unsicheren) Hypothesen und Szenarien gearbeitet werden musste. In solchen Fällen liegt dann die Vermutung nahe, dass die Wissenschaft keine klaren Ergebnisse liefere – was dann wiederum die “false balance” befeuert, Wissenschaft und Glaubenskonstrukte stünden gleichberechtigt nebeneinander.
  • Generell sind Fehlschlüsse wie etwa diese “false balance” ein wichtiges Thema, da sie sehr verbreitet und manchmal nicht ganz einfach zu widerlegen sind. Ein “Nachschlagewerk” über solche Fehlwahrnehmungen sowie über Prinzipien wie evidenzbasierte Erkenntnis, Risikowahrnehmung, Interpretation von Statistiken etc. wäre eine sinnvolle Initiative.
  • Oft wird das Prinzip der Ausgewogenheit in den Medien falsch verstanden. Wenn z.B. fast alle Experten in einer Frage übereinstimmen (wie etwa darin, dass der aktuelle Klimawandel zum grössten Teil durch menschliche Aktivitäten angetrieben wird), dann führt es zu Fehlinterpretationen, wenn den paar wenigen Gegnern der gleiche Raum und die gleiche Aufmerksamkeit zugestanden wird.
  • Die Mitglieder unseres Vereins bilden keinen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung (viele jüngere und ältere Personen, aber wenige im mittleren Alter; wenige Frauen; viele Akademiker…). Gerade deshalb wäre es wichtig, auch Personen ausserhalb dieser “Blase” anzusprechen, z.B. bei Anlässen wie Museumsnacht, Denkfest, “Ma thèse en 180 secondes”, sowie durch Publikation von Artikeln in populärwissenschaftlichen Magazinen.
  • Als wichtige Einzelthemen wurden unter anderem genannt: Impfskepsis, Gentechnik, 5G, Homöopathie (wurde kürzlich in England aus der Grundversicherung gestrichen), Identitätspolitik, Cannabis-Legalisierung.

Insgesamt war das Treffen sehr produktiv; es wird nun darum gehen, die angesprochenen Punkte in die konkrete Vereinsarbeit umzusetzen. Wer daran – in welcher Form auch immer – mitarbeiten möchte, ist herzlich willkommen!

Werner Hoffmann

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