Vom 29. August bis zum 1. September 2019 fand an der Universität in Gent (Belgien) der 18. europäische Skeptikerkongress statt. Der Rückblick soll einen Eindruck vermitteln, was einen an einem solchen Kongress erwartet und eine kurze Zusammenfassung der Themen geben, die dort präsentiert und diskutiert wurden.
Der Kongress wird alle zwei Jahre an einem anderen Ort durchgeführt und von den lokalen Skeptiker-Vereinigungen organisiert. Dieses Jahr waren es die flämischsprachige belgische SKEPP vzw, die französischsprachige Comité Para asbl in Kooperation mit ihren niederländischen Kolleginnen und Kollegen der Vereniging tegen de Kwakzalverij und Stichting Skepsis. Erwähnenswert ist, dass die Vereniging tegen de Kwakzalverij bereits 1818 und das Comité Para 1949 gegründet wurden, und somit zu den ältesten skeptischen Organisation der Welt gehören.
Die Konferenzsprache ist jeweils Englisch, weshalb ich gewisse Begriffe und Zwischentitel in dieser Sprache belasse. Der Rückblick wird in zwei Teilen veröffentlicht und beinhaltet je zwei Tage.
Vorprogramm
Die Agenda ist vollgepackt: Neben interessanten Vorträgen gibt es ein reichhaltiges Rahmenprogramm, womit es am Donnerstag bereits beginnt. Am Nachmittag startet es mit einem Skeptics in the Pub in Brüssel mit einem Inputreferat von David Zaruk aka Risk Monger. Nach dem gemeinsamen Transfer nach Gent treffen wir uns zum zwanglosen Willkommensabend im Muziekcafé Charlatan. Hier werden wir von Gili, einem bekannten belgischen Mentalisten, empfangen und durch einen unterhaltsamen Abend mit skeptischer Stand-up-Comedy und Livemusik geführt.
EUROPEAN SKEPTICS – A 30 YEARS RETROSPECTIVE
Am Freitagmorgen beginnen die Vorträge, die thematisch je in Halbtagesblöcke eingeteilt sind. Nach jedem Vortrag bzw. Themenblock gibt es die Möglichkeit für Fragen an die Referierenden. In der Regel sind sie auch in den Pausen offen für weitere Diskussionen.
Der erste Themenblock widmet sich der Retrospektive auf die Skeptiker-Bewegung in den letzten Jahrzehnten. Wobei zu Beginn des kürzlich verstorbenen Dr. Wim Betz gedacht wird, der als Arzt und Professor auf EU-Ebene aktiv gegen die sogenannte alternative Medizin vorging. Als Belgier hätte er sehr gerne an diesem Kongress mitgewirkt, verstarb jedoch im Juni dieses Jahres.
Michel Naud berichtet über die Tätigkeiten von AFIS, die seit über 50 Jahren in Frankreich wissenschaftliche Informationen fördern und erfolgreich das Magazin “Science et pseudo-sciences” publizieren.
Mit dem Vortrag „Descent into one’s own illusion: The case of Gauquelin” rekapituliert Jan Willem Nienhuys von der holländischen Stichting Skepsis den Fall zum neo-astrologischen Mars-Effekt.
Norbert Aust von der GWUP berichtet über das Informationsnetzwerk Homöopathie (INH) und die medialen Erfolge seit der Gründung 2016.
THE NEVER-ENDING STRUGGLE AGAINST QUACKERY
Lukas Stalpers, Professor für Radiotherapie an der Universität Amsterdam, beleuchtet den Vitamin B12 Hype. In diesem Hype wird der real existierende und leicht und günstig zu behandelnde Vitamin-B12-Mangel, als epidemische Gefahr dargestellt, u.a. mit Awareness-Kampagnen und unseriösen Kliniken. Solche Kliniken “diagnostizieren” einen solchen Mangel und bieten dafür teure Behandlungen an.
Über einen ähnlichen Aktivismus berichtet Dirk Vogelaers, Professor für innere Medizin am Universitätsspital Gent, bezüglich der Lyme-Borreliose im Spätstadium, auch chronische Borreliose genannt. Hier werden zahlreiche chronische Symptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Muskel- und Gelenksschmerzen einer früheren Borrelien-Infektion zugeschrieben, obwohl bisher kein Zusammenhang nachgewiesen wurde. Aktivisten, die an eine solche Diagnose glauben, verlangen deren Anerkennung und die Freigabe der Langzeitbehandlung mit Antibiotika. Oft vermuten sie auch eine Verschwörung des medizinischen Establishments hinter der Ablehnung ihrer Forderungen.
Ovidiu Covaciu aus Ungarn berichtet über die Impfgegner, deren Strategien und wie die Gesetzeslage und weitere Faktoren in unterschiedlichen Ländern zur Impfquote beiträgt. Als Gegenstrategie schlägt er “POLIO” vor:
- Pre-parenting: Fokus auf werdende Eltern
- Omnichannel: breites Spektrum an Kommunikationsmittel nutzen
- Legislation: Gesetzgebung muss Impfungen unterstützen
- Infrastructure: Impfstoffe sind verfügbar und zugänglich
- Outreach: Öffentlichkeitsarbeit
Zum Abschluss des Tages zieht Edzard Ernst, emeritierter Professor für Komplementärmedizin an der Universität Exeter, eine Bilanz, wie es im Kampf gegen die sogenannte alternative Medizin (SCAM: so called alternative medicine) aussieht: es gibt Lichtblicke, aber der Markt wächst weiterhin.
Am Abendprogramm werden wir durch lokale Skeptikerinnen und Skeptiker durch die wunderschöne Altstadt und den Belfried von Gent geführt.
Im zweiten Teil des Rückblicks geht es dann um anomale Psychologie, grünen Skeptizismus und darum, wie Betrüger operieren.
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