Skeptische Randnotiz: Homöopathie tötet Babys

Marko KovicBlog2 Comments

Nützt es nicht, schadet es auch nicht.

Wir kennen ihn alle, den Spruch, mit dem Verfechter der Alternativ- und Komplementärmedizin bisweilen meinen, den Glauben an und das Anwenden von alternativ- und komplementär-medizinischen Verfahren zu rechtfertigen.

Nun erreicht uns aus den USA eine Geschichte, welche dieses Argument auf tragische Art widerlegt: Homöopathika, welche Kleinkindern die Schmerzen beim Zahnen lindern sollten, haben sie stattdessen offenbar systematisch vergiftet1.

„Nein! Bitte keine Globuli!“

Dass Säuglinge wegen Homöopathie leiden mussten und müssen, ist tragisch. Wer an Homöopathie glaubt, wird hier aber vermutlich einwenden: Die Produkte waren giftig, weil sie eben nicht korrekt homöopathisch verdünnt waren! Richtige Homöopathie hat keine Risiken – nützt es nicht, schadet es auch nicht!

Wunschdenken und verzerrte Risikowahrnehmung

Was ist Risiko? Es gibt keine einheitliche Definition. Risiko kann aber ganz generell verstanden werden als eine aus drei Dimensionen bestehende Einschätzung von Zuständen, Ereignissen oder Handlungen:

  • Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintritt, bzw, dass mehrere Ereignisse eintreten.
  • Die Breite der Konsequenzen (Wie viele Leute sind betroffen?).
  • Die Tiefe der Konsequenzen (Wie schwerwiegend sind die Folgen?).

Risiko-Einschätzungen gehören zum rationalen Umgang mit unseren Handlungen. Risiken einzuschätzen ist nicht zuletzt auch sinnvoll, wenn es um Gesundheit geht: Mit diagnostischen und therapeutischen Verfahren sind immer auch Risiken verbunden. Ausser in der Alternativ- und Komplementärmedizin, denn „nützt es nicht, schadet es nicht“ ist einfach der Glaube, dass keine Risiken existieren, weil die Wahrscheinlichkeit, dass unerwünschte Ereignisse als Folge alternativ- und komplementärmedizinischer Verfahren eintreten, null sein soll.

Das ist natürlich nichts als irrationales Wunschdenken. Und zwar auch dann, wenn wir das (für sich genommen irrationale) Argument akzeptieren, dass alle Vorfälle, bei denen alternativ- und komplementärmedizinische Behandlungen Schaden versursachen, in Tat und Wahrheit nur extreme Ausreisser sind, die nicht die wahre Alternativ- und Komplementärmedizin repräsentieren. Am Schluss ist es nämlich die empirische Evidenz, die zählt: Wenn eine Patientin oder ein Patient alternativ- und komplementärmedizinische Verfahren in Anspruch nimmt, dann gibt es a priori keine Garantie, dass die Verfahren ohne Risiken sind. Das Risiko kann, wie im Fall der vergifteten Babys, darin bestehen, dass ein alternativmedizinisches Präparat unsauber hergestellt wird. Im Nachhinein kann man natürlich deklarieren, dass das homöopathsiche Mittel nicht wirklich homöopathisch war – aber genau solche Produktionsfehler sind eben ein offensichtliches, konkretes Risiko.

Es ist eigentümlich, dies explizit verschriftlichen zu müssen: Natürlich ist der Spruch „Nützt es nicht, schadet es auch nicht“ irrational, denn natürlich ist in der Realität jede Handlung mit Risiken verbunden.

Autor

References

  1. Kaplan, Sheila. 2017. „Homeopathic remedies harmed hundreds of babies, families say, as FDA investigated for years“. STAT. https://www.statnews.com/2017/02/21/hylands-homeopathic-teething-fda/

2 Comments on “Skeptische Randnotiz: Homöopathie tötet Babys”

  1. 8 Todesfälle in 10 Jahren ist schon übel. Interessant wären Vergleichszahlen. Wie viele Babies sterben durch verunreinigte Medikamente? Wie viele Babies sterben im Strassenverkehr auf dem Weg zum Arzt? Oder nach Ansteckung im Wartezimmer?

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