Ist Ebola eine «False Flag»-Operation? Ein Faktencheck

Marko KovicBlog3 Comments

In den letzten Wochen und Monaten war Ebola eine Konstante in den Schlagzeilen. In diesem Jahr kam es in mehreren westafrikanischen Staaten zu Ebola-Ausbrüchen, und das beschäftigt die Politik (Ebola ist eine globale Herausforderung), befeuert Ängste (Kommt Ebola auch zu uns?) und liefert eine aus journalistischer Sicht spannende Geschichte. All dies nicht ganz zu Unrecht – die aktuellen Ebola-Ausbrüche sind die grösste bisher beobachtete Ebola-Epidemie1:

Ebola-Fälle

Die düsteren Prognosen zur Entwicklung der Ebola-Epidemie2 sind erfreulicherweise, zumindest für den Moment, nicht Realität geworden3. Das bedeutet aber nicht, dass Ebola kein Problem ist. Es ist weiterhin nötig, gezielte und konzertierte Massnahmen vor Ort zu treffen, um die Verbreitung von Ebola einzudämmen4; nicht zuletzt, weil die Massnahmen gegen Ebola nicht von heute auf morgen wirken, sondern eines anhaltenden Efforts bedürfen5. Dies umso mehr, weil anzunehmen ist, dass viele Ebola-Fälle gar nie von den Gesundheitsbehörden registriert werden6.

Ebola: Alles nur eine globale Verschwörung?

Die Art und Weise, wie Akteure aus Politik und Medien mit der Ebola-Epidemie umgehen, kann sicherlich kritisch hinterfragt werden. So dürfen wir uns alle fragen, ob und warum uns Leid und Unheil in weit entfernten Staaten erst dann interessiert, wenn wir Angst haben, dass wir davon selber betroffen sein könnten. Es ist nämlich unbestritten, dass in afrikanischen Staaten zahlreiche andere Krankheiten (noch) viel mehr Leid und Tod verursachen als Ebola7 8.

Kritik rund um die Ebola-Epidemie findet aber nicht nur auf einer solchen reflektierenden Metaebene statt. Es gibt auch Individuen und Gruppen, die direkt behaupten, die ganze Ebola-Epidemie sei nur eine Verschwörung. So hat die NZZ über ein kurzes Video berichtet, in dem eine solche Verschwörungstheorie präsentiert wird:

Screenshot NZZ

Das betroffene Video trägt den Titel «Ebola: False-Flag-Operation mit genetischen Impfungen?»:

Was hat es mit den in diesem Video geäusserten Behauptungen auf sich? Wird die Hauptaussage, die Ebola-Epidemie sei erfunden, durch diese gestützt? Ein kleiner Faktencheck.

1 – Behauptung 1: Ein alkoholisierter Mann wird als Ebola-Fall dargestellt (00:00:38)

Das Video beginnt mit der Behauptung, es werden «Männer mit Alkoholvergiftung, die sich eingenässt haben, als neuer Ebola-Fall präsentiert». Diese Behauptung bezieht sich auf ein Video der New York Times mit dem Titel «Ebola Virus Outbreak 2014: Dying at the Hospital Door». Das Video zeigt die Situation in Monrovia, der Hauptstadt Liberias:

1.1 – Bewertung der Behauptung

gelb

 

1.2 – Diskussion

Ob sich der im Video abgebildete junge Man wirklich im Spätstadium der Ebola-Erkrankung befindet, ist schwer abzuschätzen. Äusserlich sieht der Mann nicht besonders «krank» aus, aber die Symptome von Ebola-Infektionen sind nur zum kleineren Teil, wenn überhaupt, direkt äusserlich sichtbar9. Dramaturgisch wirkt das Video der NYT eigentümlich. Warum rollt der Mann in einigen Einstellungen Qualen bekundend auf dem Boden, während er in anderen verhältnismässig unbekümmert auf dem Boden liegt oder sitzt?

Es ist denkbar, dass der junge Mann nicht wirklich todkrank ist. Das könnte eine Reihe von Gründen haben. Die journalistische Logik lechzt nach menschlichen Tragödien, und inszeniert sie bei Bedarf (was im Mindesten mit dem reisserischen Titel des Videos gemacht wird). Oder: Einheimische haben dem verschreckten US-amerikanischen Journalisten etwas vorgespielt. Oder: Dem jungen Mann geht es tatsächlich nicht gut, aber er hat keine Ebola-Infektion.

Warum aber der junge Mann eine Alkoholvergiftung haben soll und seine Hosen nass sind, weil er sich selber eingenässt hat, wie es im Ebola-Video behauptet wird, ist unklar. Auch ist unklar, inwiefern ein inszenierter Bericht der NYT demonstrieren soll, dass die ganze Ebola-Epidemie nur inszeniert ist.


 

2 – Behauptung 2: Eine Krankenstation in Monrovia wird als JFK-Klinik dargestellt (00:00:45)

Im Video wird kritisiert, eine Krankenstation in Monrovia werde in den Medien fälschlicherweise als das «John F. Kennedy Medical Center» präsentiert. Konkret handelt es sich um eine Fotografie in einem Artikel auf welt.de:

Screenshot Welt

2.1 – Bewertung der Behauptung

gruen

2.2 – Diskussion

Es handelt sich recht eindeutig um eine Krankenstation des JFK Medical Center und nicht um das JFK Medical Center selber.

Warum behauptet die Bildunterschrift im Artikel auf welt.de etwas Falsches? Die möglichen Gründe sind mannigfaltig. Der wohl einfachste: Unwissen. Die Person, welche die Bildunterschrift erstellt hat, kennt wohl weder Monrovia, noch die JFK-Klinik. Es ist aber auch nicht auszuschliessen, dass es sich um eine bewusste Falschaussage handelt. Aber auch, wenn hier bewusst dramatisiert wurde, besteht wie bei Behauptung 1 kein direkter logischer Zusammenhang zwischen einer einzigen journalistischen Fehlleistung und der angeblichen Grossverschwörung.


 

3 – Behauptung 3: Informationen über den GSK-Impfstoff gab es schon im August (00:01:19)

Das britische Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline (GSK) arbeitet an einem Ebola-Impfstoff, und im Video wird auf den Umstand verwiesen, dass im August 2014 in einem Artikel auf börse-online.de über den Impfstoff berichtet wurde.

3.1 – Bewertung der Behauptung

gruen

3.2 – Diskussion

Über den GSK-Impfstoff wurde schon im August 2014 berichtet. Der Impfstoff ist aber noch älter: GSK hat im Mai 2013 das biopharmazeutische Unternehmen Okairos gekauft und damit auch den sich in der Entwicklung befindenden Impfstoff10 11.

Diese Behauptung ist also wahr. Und was hat das mit der angeblichen Ebola-Verschwörung zu tun? Gar nichts. Im Narrativ des Videos ist die aktuelle Ebola-Epidemie ein Vorwand, um Menschen zu impfen. Aber Forschung zu möglichen Ebola-Impfungen hat nicht erst mit der gegenwärtigen Epidemie begonnen. So geht etwa die Forschung für die GSK-Impfung auf 2009 zurück12, und allgemeiner hat Forschung zu Ebola-Impfungen ca. ab den späten 1990er Jahren begonnen, Früchte zu tragen13 14 15 16 17 18 19 20.


 

4 – Behauptung 4: Die Viren im GSK-Impfstoff haben einen Stoffwechsel (00:01:49)

Der GSK-Impfstoff wird als riskant beschrieben, weil die darin enthaltenen gentechnisch veränderten Viren einen Stoffwechsel haben – und ein zentrales Merkmal «natürlicher» Viren ist, dass diese keinen Stoffwechsel haben.

4.1 – Bewertung der Behauptung

rot

4.2 – Diskussion

Die für den GSK-Impfstoff verwendeten Viren haben keinen Stoffwechsel. Es handelt sich um nicht reproduktionsfähige Schimpansen-Adenoviren, die genetisches Material des Ebola-Virus befördern. Diese genetische Information führt dazu, dass die Zellen des Empfängerorganismus ein Ebola-Protein exprimieren. Dieses Ebola-Protein kann keine Ebola-Infektion verursachen, sondern lediglich eine Immunreaktion des Organismus21 22 23. D.h., es findet eine Impfung statt, ohne, dass ganze Ebola-Viren injiziert werden.


 

5 – Behauptung 5: Es gibt keine Methode, um das Ebola-Virus ausfindig zu machen (00:03:40)

Die vielleicht gewichtigste Behauptung im Video ist, dass alle Ebola-Symptome auch andere Ursachen haben können und lediglich das Ergebnis mangelnder Hygiene oder von Mangelernährung (Skorbut) sind. Diagnostische Werkzeuge wie PCR (Polymerase Chain Reaction) oder ELISA (Enzyme-linked Immunosorbent Assay) seien unzuverlässig, weil sie «total unspezifisch auf alle entzündlichen Prozesse» reagierten.

5.1 – Bewertung der Behauptung

rot

5.2 – Diskussion

Diese Behauptung ist falsch. Sowohl ELISA24 25 26 27 28 als auch PCR29 30 31 32 33 34 35 36 sind erprobte, zuverlässige Werkzeuge, um das Ebola-Virus zu entdecken.


 

6 – Behauptung 6: Die Ebola-Krankheit wurde 2001 umbenannt (00:04:24)

Das Ebola-Virus verursacht eine Reihe von Symptomen. Diese werden zusammenfassend als «Ebola Virus Disease» beschrieben. Dem war aber nicht immer so: Früher hiess die Krankheit «Ebola Haemorrhagic Fever», aber sie sei 2001 umbenannt worden, als sich zeigte, dass das Element des «haemorrhagic», also die Blutungen, gar nicht immer vorkommen.

6.1 – Bewertung der Behauptung

rot

6.2 – Diskussion

Die angebliche Vertuschung wird mit einem Verweis auf das WHO «Weekly epidemiological record» von 200137 begründet. Bei einem Ebola-Ausbruch in Uganda im Jahr 2000 wiesen knapp 20% der 62 Patienten, die in ein Krankenhaus eingeliefert wurden, Blutungen auf. Weil der Name «Ebola Haemorrhagic Fever» aufgrund dieses Vorkommnisses nicht mehr passte, wurde die Krankheit schlicht zu «Ebola Virus Disease» umgetauft.

Diese Behauptung ist in doppelter Hinsicht falsch. Einerseits ist das Krankheitsbild von Ebola im Besonderen und von hämorrhagischem Fieber im Allgemeinen nicht, dass Blutungen definitiv und immer vorkommen, sondern, dass die Betroffenen anfällig für Blutungen werden38. Andererseits wurden und werden die Begriffe «Ebola Virus Disease» und «Ebola Haemorrhagic Fever» (bzw. «Ebola Hemorrhagic Fever») synonym verwendet. Ein grober Blick in die Literaturdatenbank Google Scholar zeigt, dass die beiden Begriffe seit den 1970er Jahren in Verwendung sind:

Entwicklung Begriffe

Die Verwendung von «Ebola Virus Disease» hat 2014 sprunghaft zugenommen; möglicherweise, weil «Ebola Virus Disease» für eine nicht-wissenschaftliche Öffentlichkeit ein verständlicherer Begriff ist als «Ebola Haemorrhagic Fever». Von einer Abschaffung des Begriffes «Ebola Haemorrhagic Fever» im Jahr 2001 kann keine Rede sein.


 

7 – Behauptung 7: Die Zombie-Kampagne des CDC hat etwas mit Ebola zu tun (00:05:06)

Parallel zur «Ebola-Panikmache in den Massenmedien» habe die US-amerikanische Behörde «Centers for Disease Control and Prevention» (CDC) eine Zombie-Kampagne gestartet. Diese Zombie-Kampagne habe etwas mit der Ebola-Epidemie zu tun (was genau, wird im Video nicht explizit gemacht).

7.1 – Bewertung der Behauptung

rot

7.2 – Diskussion

Die Zombie-Kampagne des CDC hat ihren Ursprung in einem Blogeintrag vom 16. Mai 201139. Damit hat diese Kampagne nicht parallel mit der «Ebola-Panikmache in den Massenmedien» stattgefunden.

Darüber hinaus ist der Inhalt der CDC-Kampagne recht eindeutig: Auf spielerische Art soll die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht werden, dass und wie eine jede und ein jeder sich allgemein auf Notfallsituationen vorbereiten kann, und, was die Arbeitsweise des CDC in solchen Situation ist. Im CDC-Text werden als mögliche Notfälle Wirbelstürme, Pandemien, Erdbeben, Fluten und Tornados erwähnt.


 

Fazit: Die Anatomie einer Verschwörungstheorie

Das Video «Ebola: False-Flag-Operation mit genetischen Impfungen?» stellt die Behauptung auf, die gegenwärtige Ebola-Epidemie sei eine weltweite Verschwörung, um Menschen dazu zu bringen, sich gefährliche Impfungen verabreichen zu lassen. Ebola existiere in Tat und Wahrheit nicht.

Die Argumente, welche in dem Video präsentiert werden, stützen diese weitreichende Verschwörungstheorie nicht. Dennoch ist das Video interessant, denn es zeigt in relativ kompakter Form, wie moderne Verschwörungstheorien funktionieren: Fundamentales Misstrauen gegenüber Massenmedien (einzelne journalistische Fehlleistungen sind ein Zeichen für dunkle Mächte, die die Berichterstattung im Hintergrund orchestrieren) gepaart mit einem Potpourri an Einzelbehauptungen, die logisch nur spärlichen Bezug zur Hauptaussage haben und darüber hinaus bei genaurem Hinschauen oft faktisch falsch sind.

Verschwörungstheorien wie die hier diskutierte zu Ebola zeichnen sich nicht dadurch aus, dass sie zwingendermassen falsch sind (trotz aller schlechten Argumente im Ebola-Video kann die Hauptaussage im Prinzip doch wahr sein), sondern, dass sie irrational sind. Es handelt sich um Ideenkonstrukte, die nur darum Bestand haben, weil sie durch Bestätigungsbias40 zusammengehalten werden. Alle Informationen werden so interpretiert, dass die Verschwörungstheorie gestützt wird, und Informationen, welche der Verschwörungstheorie zuwiderlaufen, werden ignoriert – oder kurzerhand zu einem Teil der Verschwörung erklärt.

Quellen

 

Autor

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  40. http://www.skeptiker.ch/themen/kognitive-verzerrungen/ []

3 Comments on “Ist Ebola eine «False Flag»-Operation? Ein Faktencheck”

  1. Pingback: Faktencheck Ebolaverschwörung und die “Systemmedien” @ gwup | die skeptiker

  2. Verdammt ihr seit gemein. Hab genau die gleiche Analyse gemacht, war Nur nicht schnell genug da mich die böse vom Staat gemachte Grippe lahmgelegt hatte.

  3. Pingback: Die Eso-Oscars 2014: And the Winner is … @ gwup | die skeptiker

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