Kaffeebohnen und Medienkompetenz

Hannes TheinhardtBlog3 Comments

Fake News können handfeste, verheerende Folgen haben, wie der traurige Fall der Pizzagate-Verschwörungstheorie zeigt1. Wie rüsten wir uns gegen derartige Falschinformation im Internet? Während derzeit Interventionen auf Seiten der Medienplattformen2 oder des Staats3 diskutiert werden, muss nach wie vor die Medienkompetenz der Nutzer als erster wichtiger Filter fungieren. So kommt etwa die ZHAW in ihrem Ratgeber zur Medienkompetenz zum Schluss4:

Medienkompetenz bedeutet, bewusst und vor allem verantwortungs-bewusst mit Medien umzugehen. Dazu gehört das Wissen, wie man seine Bedürfnisse nach Informationen und Unterhaltung mit Medien erfüllen kann, aber auch das Hinterfragen sowohl der Medien als auch des eigenen Medienkonsums.

Das kritische Hinterfragen von Informationsquellen und damit Autoritäten im Netz ist also zentraler Bestandteil der Medienkompetenz. Nur, wie geht das?

Ein Beispiel für den kritischen Umgang mit Online-Informationen

Ein eindrückliches Beispiel, wie Autorität und fachliche Seriosität vorgetäuscht wird, sind mehr oder weniger gut gemachte Verkaufsseiten für angebliche Penisvergrösserungen, Geldmaschen oder Abnehmmittelchen. Ein Beispiel für eine solche Verkaufsseite ist das angeblich schlankmachende Nahrungsergänzungsmittel „Green Coffee“5. Ist die Seite überzeugend gehalten, und hat damit wirklich Potenzial zu täuschen? Die miserablen deutschen Texte („In der Wissenschaft gibt es keinen Platz für einen Zufall. Für Versprechungen auch.“) lassen daran zweifeln. Es soll hier jedoch weniger um die absurden und offensichtlich nicht fundierten Werbeversprechen6 im Text gehen, sondern vielmehr um den Aufbau der Seite, der per se schon entlarvt. Ziel der Sache ist, mittels zweier grundlegender Fragen die Überprüfung von Behauptungen im Internet zu demonstrieren:

  1. Welcher Sachverhalt wird (implizit) behauptet?
  2. Wie ist diese Behauptung belegt?

Die Webseite wirkt auf den ersten Blick seriös.

Zu diesem Zweck sollen sechs Aspekte, welche in dem obigen Screenshot markiert und nummeriert sind, besprochen werden.

  1. Seitenlogo & Reiter behaupten die Assoziation mit etablierten Tageszeitungen. Die farblichen und strukturellen Ähnlichkeiten mit bekannten Boulevardblättern, wie z.B. dem englischen „Daily Mirror“, sind deshalb beabsichtigt. Eine kurze Recherche nach der Publikation „Latest from the world“, die als Beleg für die Seriosität dienen soll, zeigt, dass das Blatt keinerlei Netzpräsenz und damit recht sicher frei erfunden ist. Auch die verschiedenen thematischen Reiter sollen den Eindruck erwecken, es handle sich hier um einen unabhängigen Bericht auf einer breiter aufgestellten Plattform. Alle nachprüfenden Klicks auf „andere“ Kategorien führen jedoch auf die beinahe identische Seite zurück, der Ausbruch aus der kleinen Welt ist nicht möglich.
  2. Das Suchfeld ist wieder ein leeres Element. Die Suche nach Begriffen leitet ebenfalls auf die gleiche Seite weiter.
  3. „Sonderbericht“ & Socialmedia-Zähler suggerieren Dringlichkeit sowie ein grosses Publikum. Der Zähler, der angeblich 8000 Likes auf Facebook und weitere Tweets belegen soll, ist ein eingefügtes Bild und daher ein Fake. Unter dem Artikel (nicht im Bild) sind ebenfalls zahlreiche positive Facebook-Kommentare verschiedener Nutzer vorhanden, die optisch täuschend echt Wirksamkeit des Produkts anpreisen. Hinter den Kommentaren stehen natürlich keine Profile, es sind lediglich Texte mit Bild im Facebook-Layout, inklusive nicht klickbaren „Gefällt mir“- und „Antworten“-Buttons. Auch hier halten die „Nachweise“ für die Akzeptanz der gebotenen Behauptungen keiner Nachprüfung stand.
  4. Bei den Presseverweisen soll durch den ersten expliziten Verweis auf publizistische Autoritäten Glaubhaftigkeit verliehen werden. Sämtliche Logos sind jedoch frei erfunden oder abgewandelte Versionen bestehender Organisationen. „PRESSTV“ ist beispielsweise ein Iranischer, englischsprachiger Fernsehsender, „Investors in People Health“ existiert so nicht, das Logo wurde vom QM-Anbieter Investors in People geklaut und abgewandelt. „CN“ ist so allgemein gehalten, dass nicht mal ersichtlich wird, was denn damit gemeint sein soll, eine Prüfung dieses „Beleges“ ist hier interessanterweise nicht wirklich möglich.
  5. Im ersten Bild zum Artikel verleiht der angebliche Arzt als medizinische Fachperson Autorität. Eine umgekehrte Bildersuche über Google (im Chrome-Browser Rechtsklick aufs Bild, dann Mit Google nach Bild suchen auswählen) zeigt, dass das Portrait ein Agenturbild ist, das zurechtgeschnitten wurde und damit keinen Zusammenhang mit einer echten Person hat. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch der genannte Prof. Fischer frei erfunden ist, er taucht in einer einfachen Google-Suche im genannten Kontext Ohio College oder Diät unabhängig von der Verkaufsseite nicht auf.
  6. Das Magazin „World of Science“ soll gemäss Artikel die Wichtigkeit des Wundermittels belegen. Es überrascht nicht, dass diese Publikation frei erfunden ist. Die globale Namensgebung, die auch sonst auf der Seite zu finden ist, zielt wohl auf eine möglichst breite, englischsprachige Kundengruppe ab.

Unbedarfte Besucher der Website werden zum logischen Fehlschluss des Autoritätsarguments verleitet7: Die dort aufgestellten Behauptungen seien wahr, da sie inmitten einer von (angeblich) zustimmenden Facebook-Usern, lächelnden Ärzten und seriösen publizistischen Institutionen geprägten Umgebung stehen. Die angeblichen Fakten halten jedoch, quotd erat demonstrandum, der Überprüfung nicht stand.

Fazit: Nur, weil es online ist, ist es noch lange nicht wahr

Natürlich war das hiesige Beispiel ein schwächliches Ziel und zwar Fake, aber keine News. An der vordergründig lachhaften Seite wird jedoch ersichtlich, wie simpel, wichtig und ergebnisreich die beiden kritisch-analytischen Fragen nach der behaupteten Tatsache und deren Argumentation im Netz sein können.

Wenn nun das nächste Mal die

[…] normale Silvesternacht8

zu

1,000 men chanted ‘Allahu Akhbar’, launched fireworks at police, and set fire to a historic church9

uminterpretiert wird, ermöglichen die beiden kritischen Fragen nach Behauptung und Beleg die Enttarnung einer solchen Meldung als Fake News10. Medienkompetenz ist daher essentiell – und erlernbar.

Autor

References

  1. Ammann, Beat. 2016. „Verschwörungstheorien in Endlosschlaufe“. Neue Zürcher Zeitung. http://www.nzz.ch/international/amerika/folgenreiche-fake-news-in-den-usa-verschwoerungstheorien-in-endlosschlaufe-ld.133292
  2. Beuth, Patrick. 2016. „Für Facebook wird es hässlich“. Die Zeit. http://www.zeit.de/digital/internet/2016-12/fake-news-facebook-catch-22
  3. Knaup, Horand und Gerald Traufetter. 2016. „Innenministerium will Abwehrzentrum gegen Falschmeldungen einrichten“ .Spiegel Online. http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/fake-news-bundesinnenministerium-will-abwehrzentrum-einrichten-a-1127174.html
  4. ZHAW. 2016. Medienkompetenz. Tipps zum sicheren Umgang mit digitalen Medien. https://www.zhaw.ch/storage/psychologie/upload/forschung/medienpsychologie/medienkompetenz/ZHAW_Medienkompetenz.pdf
  5. http://vademecum-gubitak-tezine.com/
  6. Gavura, Scott. 2015. „How a diet scam was born: The rise and fall of green coffee bean“. Science-based pharmacy. https://sciencebasedpharmacy.wordpress.com/2015/02/01/how-a-diet-scam-was-born-the-rise-and-fall-of-green-coffee-bean/
  7. Ein Überblick über verschiedene Fehlschlüsse: https://www.skeptiker.ch/themen/logische-fehlschluesse/
  8. Bandermann, Peter. 2017. „Silvesterrakete trifft Obdachlosen“. Ruhr Nachrichten. http://www.ruhrnachrichten.de/staedte/dortmund/44137-Dortmund~/Silvester-Boellerverbote-und-Platzverweise-Die-Lage-in-Dortmund;art930,3185532
  9. Hale, Virigina. 2017. „Revealed: 1,000-Man Mob Attack Police, Set Germany’s Oldest Church Alight on New Year’s Eve“. Breitbart News. http://www.breitbart.com/london/2017/01/03/dortmund-mob-attack-police-church-alight/
  10. Hackenbroich, Jonathan. 2017. „Wie Breitbart News in Deutschland Stimmung macht“. Frankfurter Allgemeine Zeitung. http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/breitbart-news-eskalation-in-dortmund-14605813.html

3 Comments on “Kaffeebohnen und Medienkompetenz”

  1. Ob das der selbe Fischer(-im-Trüben ) ist, der hinter der ‚http://prof-dr-fischer-ag.ch‘ steckt, die mit quantenmedizinischen Versprechungen im Internet zu finden ist. Quantenmedizin ist ja ein beliebtes Tummelfeld für Scharlatanerie, da es sich mit der Verwendung von Begriffen aus der Quantenphysik einen höchst wissenschaftlichen Anstrich gibt und die wenigsten Menschen etwas von Quantenphysik verstehen.

  2. Das glaube ich kaum, da die Seite hier (ziemlich miserabel) aus dem Englischen übersetzt wurde. Aber beide sind kompletter Mumpiz, da liegt Gemeinsamkeit!

  3. Naja, man weiss ja in der heutigen Zeit, dass dass Papier oder eben das Internet alles annimmt. Daher sollte sowieso alles irgendwie prüfend hinterfragt werden. Vielleicht muss man auch noch sagen, dass der Markt ums Thema „Abnehmen“ ein Milliardenmarkt ist, daher wenig verwunderlich, dass die Menschen auf alle erdenkliche Ideen kommen.

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