Homöopathie oder Köpfchen

Werner HoffmannBlog, Mein skeptischer AlltagLeave a Comment

Mein skeptischer Alltag – Folge 1

Ich weiss schon, dieser Titel könnte irritieren. Er klingt so, als ob hier Homöopathen und ihre Kunden als dumm hingestellt werden sollten. Aber nein, darum geht es nicht. 

Das Ganze begann an einem Hochzeitsfest, bei dem ich der Tochter eines Studienkollegen nach längerer Zeit wieder begegnete. Nennen wir sie hier Simona. Sie war inzwischen Mutter von Zwillingen geworden, und wie das dann eben so kommt, unterhielten wir uns recht ausführlich über diese beiden kleinen Kinder. Ich wusste schon, dass Simona ein wenig esoterisch angehaucht war, und deshalb wunderte es mich nicht besonders, dass sie mir erzählte, wie die beiden kürzlich einmal furchtbar nervös und quengelig waren, und wie sie sie mittels Globuli sehr gut hätte beruhigen können.

Tara Winstead, pexels.com

Ich muss da wohl etwas skeptisch dreingeschaut haben (naja, bei einem Pokerface-Wettbewerb hätte ich wohl keine grossen Chancen), denn sie fügte gleich noch hinzu, ausserdem hätte sie sich zu den beiden auf den Teppich hingelegt, und zwar so, dass sie mit ihrem Kopf die beiden Köpfchen ihrer Kinder berührte.

Darauf lächelte ich etwas und fand, das sei dann ja wohl die wirkungsvollere Aktion gewesen als die Gabe der Globuli. “Meinst du wirklich?”, fragte Simona etwas verunsichert, blieb dann aber doch dabei, dass es in erster Linie die Homöopathie gewesen sein müsse, die ihre beiden Kinder so gut beruhigt hätte. Nachher plauderten wir wieder über Anderes.

Im Nachhinein dachte ich über meine Reaktion nach. Zwar gibt es ja wirklich keine Evidenz dafür, dass homöopathische Mittel etwas anderes als Placebos sind – aber woher wollte ich denn wissen, welche Handlung von Simona nun die stärkere Placebo-Potenz hatte, die Homöopathie oder das Aneinanderlegen der Köpfchen? Vielleicht hatten die Kinder schon in ihren sehr jungen Jahren die Erfahrung gemacht, dass die Gabe von Tabletten (auch solchen mit echten Wirkstoffen) etwas Angenehmes auslösen kann, das Verschwinden von Bauchschmerzen zum Beispiel, und reagierten deshalb gut darauf. Vielleicht war es auch Simonas Überzeugung, dass diese Globuli die richtige Behandlung seien, die sich auf ihre Kinder übertrug. Und vielleicht war es halt doch eher die Berührung der Köpfchen. Vielleicht, vielleicht… Kurz: Nichts Genaues weiss man nicht.

Man sieht hier recht gut, wie heikel die Placebo-Forschung ist. Es gibt stets so viele mögliche Einflüsse, die auseinanderzuhalten schwierig, und die zu quantifizieren fast unmöglich ist. Und dennoch sollte man versuchen, hier weiterzukommen – denn auch wenn es im Falle von Simona und ihren Kindern wohl gar nicht so wichtig war, ob nun die Homöopathie oder das Köpfchenreiben mehr gebracht hat, gibt es sehr wohl Fälle, in welchen fundiertes Wissen über Mechanismen und Wirkungen der Placebo-Anwendung einen wichtigen Beitrag zur Qualität der medizinischen Versorgung leisten kann. Denn ganz egal was eine Ärztin oder ein Arzt verschreibt: Placebo ist immer mit dabei.

Zur Serie Mein skeptischer Alltag

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