Glück hat die SRF-Sendung “Puls”, dass eines ihrer Meisterwerke des Humbugs bereits im September erschienen ist, nachdem wir unser Thema für jenen Monat bereits auserlesen hatten: Nährboden für die Aluminium-ist-Schädlich-Panik gab’s in der Ausgabe vom 26.09.2016 1, worüber zum Glück aber schon der empfehlenswerte pharmama.ch-Blog 2 berichtet hat. Schön, dass wir nicht die einzigen sind, die dauernd tauben Ohren predigen.
Und doppelt gute Laune hatte ich, als in derselben Sendung wieder einmal über Gebärmutterhalskrebs und eine wichtige Präventionsmassnahme – die HPV-Impfung – berichtet wurde 3. Doch statt wie die Kollegen von der “Rundschau” Impfung-Macht-MS-Panik zu säen wird nüchtern über die Fakten und den Nutzen dieser Impfung berichtet. Chapeau, mein Kinn berührt vor respektvoller Verneigung schon fast den Boden.
Nun aber zum Oktober-Humbug 4:
Die seit ewig hochgelobten, kommunistisch kooperierenden Bienen sollen zu neuen Heilungszwecken verwendet werden. Aber wer hätte denn gedacht, dass die pollentragenden und -sprühenden Tierchen gerade zur Behandlung einer überwiegend durch Allergene (u.a. eben auch Pollen) auslösbaren Erkrankung5, Asthma, verwendet werden können? Revolutionär!
Und schon hört man sie, die Skeptiker, mit ihrem einzigartigen, zynischen Negativismus, der Alarmismus darüber, dass dies ja gefährlich sein könnte, Pollen in der Bienenluft, und und und. Aber unsere Freunde bei Puls haben ihre Sendung schön balanciert: Da tritt ein Pneumologe, ein Vertreter der “Schulmedizin” (wir Skeptiker werden Sachen weiterhin beim Namen nennen, also: ein Vertreter der evidenzbasierten Medizin) auf und vertritt in gewohnt vorsichtig-wissenschaftlicher Manier den Standpunkt, dass dieser Behandlungsansatz wenig glaubwürdige Wirksamkeit hat, da nur schon die Zusammensetzung der Bienenstockluft von Ort zu Ort stark variiere. Aber man hat das Gefühl, dass man ihn auf Puls nicht hat zu Ende reden lassen, denn zu “Risiken und Nebenwirkungen” wird erstaunlich selbstbewusst geschwiegen: Die Risiken und Nebenwirkungen, die die thüringer Gesundheitsbehörden in Deutschland6 dazu bewegt haben, die Notbremse zu ziehen und Bienenlufttherapie bis auf weiteres aus dem Verkehr zu ziehen.
“Aber die Luft wird doch sicher gefiltert!?”, höre ich die kritische Leserschaft sagen. Man höre und staune, in den Worten der Puls-Narratorin: “[…] inhalieren Luft aus den Kisten mit den Bienen. Sie ist feucht und über 30 Grad warm. Ein Filter am Schlauch verhindert, dass sich Bienen in die Atemluft verirren. Die Kunden sollen nur die flüchtigen Naturstoffe aus dem Bienenstock einatmen – rund eine Stunde lang. […] Und diesen Mix aus Nektar, Pollen, Wachs und Botenstoffen aus dem Bienenstock atmen die Besucher ein.”7 Na, immerhin werden die armen Bienen vor dem grausamen Tod durch menschliche Inhalation geschützt!
Aber jetzt im Ernst: Pollen haben heilende Kräfte bei Asthmatikern? Bei Asthmatikern!? Diejenigen Menschen also, die zu einem nennenswerten Anteil ihr Asthma wegen einer Pollenallergie entwickelt haben? Satire vom Feinsten! Nur, als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, arbeitete „Puls“ noch nicht mit dem Postillon8 zusammen… Und man komme mir jetzt nicht irgendwelchen Einwürfen von wegen: “Aber bei Allergien gibt es ja die Hyposensibilisierung als Therapie, wo man die Patienten mit Allergenexposition weniger allergisch macht.” Richtig, aber dort achtet man minutiös auf die richtige Dosierung. Man schmeisst den Patienten nicht einfach mal in einen Raum voller Allergene und schaut nach einer Stunde bienenloser Polleninhalation nach, ob er noch nicht blau angelaufen ist9.
Kritische Kommentare in der Puls-Sendung? Fehlanzeige! Dem Puls-Publikum sei mit der anekdotischen Evidenz der zu Werbezwecken missbrauchten, zufriedenen Bienenluftatmer der Apitherapie-Anbieterin gedient.
Aber anstelle mich im Frust zu baden, freue ich mich schon auf die nächstjährige Puls-Sendung über Asthma, in welcher man so ganz apropos erwähnen wird, dass es wirksame, unwirksame und auch potenziell schädliche Asthmatherapien (“[…], darunter auch die sogenannte Apitherapie […]”) gibt. Geduld bringt Rosen. Verdammt, da hat auch schon jemand dran gedacht: Rosenduft-Therapie10.
Die Luft für neue “Alternativtherapien” wird langsam dünn, da wurde alles schon mal irgendjemandem erdacht… Dann bleib ich halt “Schulmediziner”.
References
- 2. Teil von «‹Puls› vom 26.09.2016»: «Aluminiumsalze in Deos – Krebs-Verdacht erhärtet sich». Schweizer Radio und Fernsehen SRF, 26. September 2016. http://www.srf.ch/sendungen/puls/hpv-test-oder-krebsabstrich-aluminiumsalze-in-deos-drogenentzug
- «Ich freu mich schon auf die ganzen „Aluminium ist böse“ Diskussionen». Pharmamas Blog, 21. September 2016. https://pharmama.ch/2016/09/21/ich-freu-mich-schon-auf-die-ganzen-aluminium-ist-boese-diskussionen/
- «HPV – Virus mit Potenzial zum Krebserreger». Schweizer Radio und Fernsehen SRF, 26. September 2016. http://www.srf.ch/sendungen/puls/hpv-virus-mit-potenzial-zum-krebserreger
- «Wohltuendes aus dem Bienenstock». Schweizer Radio und Fernsehen SRF, Oktober 2016. http://www.srf.ch/sendungen/puls/wohltuendes-aus-dem-bienenstock
- Knudsen, Thomas Bøllingtoft, Simon Francis Thomsen, Hendrik Nolte, und Vibeke Backer. «A Population-based Clinical Study of Allergic and Non-allergic Asthma». Journal of Asthma 46, Nr. 1 (1. Januar 2009): 91–94. doi:10.1080/02770900802524657.
- «Bienenluft: Behandlungen von Gesundheitsamt verboten – WELT». DIE WELT. Zugegriffen 7. November 2016. https://www.welt.de/gesundheit/article149108017/Behoerden-verbieten-umstrittene-Bienenluft-Therapie.html
- «Wohltuendes aus dem Bienenstock». Schweizer Radio und Fernsehen SRF, Oktober 2016. http://www.srf.ch/sendungen/puls/wohltuendes-aus-dem-bienenstock
- Der Postillon. http://www.der-postillon.com
- American Academy of Allergy, Asthma & Immunology: «Allergen immunotherapy: A practice parameter third update». Zugegriffen 24. November 2016. https://www.aaaai.org/Aaaai/media/MediaLibrary/PDF%20Documents/Practice%20and%20Parameters/Allergen-immunotherapy-Jan-2011.pdf
- «Pressebereich PR-Marketing-Agentur piroth.kommunikation – piroth.kommunikation». Zugegriffen 24. November 2016. http://www.piroth-kommunikation.com/de/media-center/rosenduft-therapie-und-heilkraeuterwissen-in-bad-woerishofen-obj-0-10318.html