Drei skeptische Vorsätze für das neue Jahr

Marko KovicBlog3 Comments

Das Jahr 2014 neigt sich dem Ende zu. Ein Jahreswechsel ist im Grunde ein banales kalendarisches Ereignis ohne besondere Bedeutung. In unserem Empfinden schreiben wir dem Jahreswechsel aber eine recht grosse rituelle Relevanz zu, denn viele von uns nehmen den Jahreswechsel zum Anlass, mehr oder weniger klare Vorsätze zu fassen. Wir wollen bestimmte Dinge häufiger machen oder weniger häufig machen, oder damit beginnen, sie zu machen, oder aufhören, sie zu machen. Das neue Jahr ist eine Art «Neustart», der uns auf einer symbolischen Ebene motiviert. Eine bestimmte Phase ist abgeschlossen, und in der neuen Phase können wir uns mit aufgeladenen Batterien neuen Herausforderungen widmen1.

Feuerwerk

Startschuss auch für skeptische Vorsätze? Bildquelle: Flickr.

Nun ist es kein grosses Geheimnis, dass wir relativ schlecht darin sind, Neujahrsvorsätze einzuhalten. Die ersten paar Wochen mögen wir einigermassen diszipliniert bei der Sache sein, aber meistens sind wir schon nach wenigen Monaten gescheitert2 3 4 5. Ein bisschen optimistisch dürfen wir trotzdem sein, denn es scheint ein wenig zu helfen, den Vorsatz rituell zum neuen Jahr zu fassen und nicht einfach irgendwann6, und je öfter wir einen Vorsatz fassen, desto besser halten wir uns mit der Zeit daran7. Zudem steigt, ganz allgemein, die Wahrscheinlichkeit, dass wir etwas tun, wenn wir den Vorsatz fassen, es zu tun8 und, wenn wir uns überlegen, wie wir den Vorsatz erfüllen wollen9. Im Lichte dieses Silberstreifens am Horizont der Neujahrsvorsätze seien auch deren drei mit skeptischem Einschlag vorgeschlagen.

1. Sich selber hinterfragen

Der beste Gegenstand, an dem wir kritisches Denken üben können, sind wir selber. Menschen sind grundsätzlich anfällig für fehlerhaftes Denken und Argumentieren. Was eine Skeptikerin und einen Skeptiker ausmacht, ist einerseits die Einsicht, dass auch wir selber eben von diesen Fehlern betroffen sind, sowie andererseits die Bereitschaft, diese Fehler zu identifizieren und ihnen dadurch in Zukunft weniger häufig auf den Leim zu gehen. Folgende Übung sei darum empfohlen:

  • Ein Mal pro Woche, am einfachsten am Sonntag, lassen wir die vergangene Woche Revue passieren.
  • Das Ziel dieser Reflexion ist, eine Situation der vergangenen Woche ausfindig zu machen, in der wir einen Fehler im Denken oder im Argumentieren begangen haben.
  • Wenn eine solche Situation identifiziert ist, gilt es, zu überlegen, warum wir in der betroffenen Situation den Denk- oder Argumentierfehler begangen haben.
  • Weiter soll überlegt werden, wie derselbe Fehler in einer ähnlichen Situation in Zukunft vermieden werden kann.

2. Die eigene Neugier trainieren

Die Welt, in der wir leben, ist sehr komplex. Es ist entsprechend eine sehr sinnvolle Strategie, dass wir unsere Aufmerksamkeit und unseren kognitiven Apparat nur sehr selektiv einsetzen. Wenn wir jede Sekunde jeder Minute jeder Stunde jeden Tages dafür einsetzen würden, alles, was uns umgibt, vollumfäglich aktiv wahrzunehmen und zu verstehen, wären wir im Nu komplett überlastet – unser Hirn mag die gigantische Informationsflut, die uns permanent umgibt, gar nicht verarbeiten. Dennoch macht es Sinn, ab und zu Dinge, die wir als selbstverständlich ansehen, die wir mit einem «Es ist einfach so» versehen, etwas genauer anzuschauen. Dieses «Es ist einfach so» ist nämlich eine prächtige Gelegenheit, ab und an unserer naiven Neugier freien Lauf zu lassen. Folgende Übung sei zu diesem Zweck empfohlen:

  • Ein Mal pro Woche reservieren wir uns 15 Minuten Zeit.
  • In diesen 15 Minuten machen wir drei Dinge:
    • Wir erinnern uns an einen Gegenstand, mit dem wir an diesem Tag physischen Kontakt hatten.
    • Wir suchen den Wikipedia-Eintrag zu diesem Gegenstand.
    • Wir lesen den Wikipedia-Eintrag bzw. überfliegen ihn.

3. Mit Leuten, die wenig an Wissenschaft und kritischem Denken interessiert sind, über Wissenschaft und kritisches Denken diskutieren

All jene, die diesen Text lesen, sind vermutlich überdurchschnittlich an Wissenschaft und kritischem Denken interessiert. Wir alle kennen zudem vermutlich in unserer Familie und in unserem Bekannten- und Freundeskreis Menschen, die diese Art von Begeisterung für Wissenschaft nicht teilen. Das ist grundsätzlich in Ordnung – niemand muss sich für Wissenschaft interessieren. Vielleicht liegt das mangelnde Interesse an Themen rund um Wissenschaft aber auch schlicht daran, dass die betroffene Person bisher nicht gross in Kontakt damit kam. Ein Gespräch über Wissenschaft mit Leuten, die nicht sehr an Wissenschaft interessiert sind, kann bestenfalls also vielleicht ein bisschen Interesse wecken. Folgendes Vorgehen bietet sich an:

  • Ein Mal pro drei Monaten diskutieren wir locker mit jemandem, die oder der nicht sonderlich interessiert an Wissenschaft ist, über Wissenschaft an sich oder über eine spezifisches wissenschaftliches Thema.
  • Das Ziel des Gespräches ist lediglich, zu verstehen, was das Gegenüber unter Wissenschaft versteht und warum es zu diese Ansicht gekommen ist.
  • Entsprechend wollen auch wir das eigene Verständnis von Wissenschaft und die Gründe dafür erklären.
  • Das Gespräch soll weder missionierend sein, noch anklagend daherkommen, sondern Ausdruck aufrichtigen Interesses am Gegenüber sein.

Quellen

Autor

  1. Dai, H., Milkman, K. L., & Riis, J. (2014). The Fresh Start Effect: Temporal Landmarks Motivate Aspirational Behavior. Management Science, 60(10), 2563–2582. doi:10.1287/mnsc.2014.1901 []
  2. Kassirer, J. P., & Angell, M. (1998). Losing Weight — An Ill-Fated New Year’s Resolution. New England Journal of Medicine, 338(1), 52–54. doi:10.1056/NEJM199801013380109 []
  3. McManus, C. (2004). New Year’s resolutions. BMJ, 329(7480), 1413–1414. doi:10.1136/bmj.329.7480.1413 []
  4. Norcross, J. C., Ratzin, A. C., & Payne, D. (1989). Ringing in the new year: The change processes and reported outcomes of resolutions. Addictive Behaviors, 14(2), 205–212. doi:10.1016/0306-4603(89)90050-6 []
  5. Norcross, J. C., & Vangarelli, D. J. (1988). The resolution solution: Longitudinal examination of New Year’s change attempts. Journal of Substance Abuse, 1(2), 127–134. doi:10.1016/S0899-3289(88)80016-6 []
  6. Norcross, J. C., Mrykalo, M. S., & Blagys, M. D. (2002). Auld lang Syne: Success predictors, change processes, and self-reported outcomes of New Year’s resolvers and nonresolvers. Journal of Clinical Psychology, 58(4), 397–405. doi:10.1002/jclp.1151 []
  7. Prochaska, J. O., DiClemente, C. C., & Norcross, J. C. (1992). In search of how people change. Applications to addictive behaviors. The American Psychologist, 47(9), 1102–1114. []
  8. Webb, T. L., & Sheeran, P. (2006). Does changing behavioral intentions engender behavior change? A meta-analysis of the experimental evidence. Psychological Bulletin, 132(2), 249–268. doi:10.1037/0033-2909.132.2.249 []
  9. Gollwitzer, P. M., & Sheeran, P. (2006). Implementation Intentions and Goal Achievement: A Meta-analysis of Effects and Processes. Advances in Experimental Social Psychology, 38, 69–119. doi:10.1016/S0065-2601(06)38002-1 []

3 Comments on “Drei skeptische Vorsätze für das neue Jahr”

  1. Eine Idee zu Punkt 2: iPad oder dergleichen am Leseplatz deponieren, also neben jenen Fauteuil auf ein Tischli legen, auf dem man die Zeitung/Bücher liest – das animiert automatisch, Unklares bei der Lektüre in Wikipedia nachzuschlagen. Ich kann gar nicht mehr lesen ohne PDA

  2. Pingback: Viel Glück und keinen Weltuntergang in 2015! @ gwup | die skeptiker

  3. Nachdem du deine rationalen Fähigkeiten schon so weit ausgebaut hast, wie man in den Artikeln hier bewundern kann, könntest du ja mal dein Spektrum in andere Gefilde erweitern. Zum Beispiel das Fühlen.

    * Ein Mal pro Woche reservieren wir uns 15 Minuten Zeit.
    * In diesen 15 Minuten ergründen wir, was wir gerade fühlen.
    * Ist kein Gefühl da, können wir uns fragen, ob Ruhe oder Unruhe da ist, oder was für eine Stimmung vorherrscht.
    * Sobald wir ein Gefühl klar wahrnehmen können, versuchen wir es zu vertiefen – ihm Raum zu geben.
    * Dabei beobachten wir, was das Gefühl mit uns macht (ändert sich der Atem, die Pulsfrequenz, bauen sich Spannungen auf, etc.?)
    * Dann können wir den Verlauf des Gefühls beobachten, was kommt als nächstes etc.

    Dazu braucht es Forschergeist und vielleicht etwas Mut – schliesslich kann so eine Wut, Trauer oder Angst, ja selbst Freude oder Liebe, sehr heftig werden.

    Viel Spass und ein schönes 2015

    Benny

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