Skeptizismus – «ein unkomfortables, aber ehrliches Weltbild»

adminPresseschauLeave a Comment

Erschienen am 31.08.2012 im Reformierte Presse

Der 26-jährige Politologe Marko Kovic aus Wallisellen ZH ist Präsident des neu gegründeten Vereins Skeptiker Schweiz.

Je älter ich werde, desto skeptischer bin ich gegenüber Dogmen und Ideologien. Egal ob diese nun von politischen Parteien, esoterischen Gemeinschaften oder den Kirchen kommen. Denn wenn man beginnt, alles kritisch zu hinterfragen, fallen gedankliche Tabus. Ich bin römisch-katholisch aufgewachsen, aber fromm war meine Familie nie. Transzendentales und Mysteriöses haben mich aber von jeher interessiert: Geister, Dämonen, Ufos oder die Kryptozoologie faszinierten mich bis ins Teenageralter. Als Kind habe ich auch noch an Gott geglaubt.

Ich bin in der Schweiz geboren, aber im Alter von zehn Jahren nach Kroatien, ins Heimatland meiner Eltern gezogen. Dort ist die Kirche viel wichtiger als hier. Es hat mich aber zunehmend genervt, dass die Leute nur am Sonntag lieb miteinander waren. Das finde ich heuchlerisch. Nicht die Politik des Vatikans oder der Verlust des Glaubens waren für mich indes primäre Auslöser, mich von der Kirche abzuwenden. Dass ich mit irgendwelchen Leuten religiöse Rituale durchführen musste, schreckte mich viel mehr ab. Ich bin kein Herdentier. Zudem haben mich die kroatischen Nonnen im Religionsunterricht immer an den Haaren gezupft. Das war auch nicht gerade erbaulich.

Wieder bei null angefangen

Als ich nach sieben Jahren in die Schweiz zurückgekehrt bin, konnte ich nicht mehr Schweizerdeutsch sprechen und musste auch sozial wieder bei null anfangen. Das war hart. Heute fühle ich mich in beiden Ländern wohl.

Auf alle Fälle habe ich hier die Matur gemacht, Politikwissenschaften studiert und arbeite derzeit an einer Dissertation im Rahmen einer Nationalfondsstudie zur Frage, wie die Medien über das Parlament berichten. Je mehr ich mich auch mit politischen Ideologien auseinandersetze, desto skeptischer werde ich.

Deshalb habe ich am 9. Juni mit anderen Interessierten den Verein Skeptiker Schweiz gegründet, den ich nun präsidiere. Wir haben bereits über 80 Mitglieder. Im Vorstand sitzen vielleicht zufälligerweise nur Akademiker, aber Mitglied kann jeder und jede werden, der oder die gedanklich offen ist. Skeptizismus ist ergebnisoffen. Es ist kein angenehmes Weltbild, an das man sich anlehnen kann wie an einen Gott. Gewissheit zu haben wäre komfortabler. Wenn wir aber alle unsere subjektiven Gewissheiten haben und nicht bereit sind, auch bei guten Gründen davon abzurücken, wird es schwierig.

Ziel unseres Vereins ist es zudem, eine Informationsplattform für Pseudowissenschaften und Esoterik zu erstellen. Kreationismus und Alternativmedizin werden Schwerpunkte bilden. Wir möchten zu Diskussionen und zu kritischem Denken anregen. Es geht nicht darum, Menschen den Glauben zu verbieten. Für mich ist allerdings die kognitive Dissonanz zwischen Religion und kritischem Denken zu gross, um sie zu verknüpfen.

Aufgezeichnet von Corina Fistarol.

Autor

Kommentar schreiben