Am 10. April 1755 kam Samuel Hahnemann, Erfinder der Homöopathie, auf die Welt. Es ist angebracht, seiner Person und seines Werkes zu gedenken. Zwar wollen Verfechterinnen und Verfechter evidenzbasierter Medizin und kritischen Denkens Hahnemann nicht als mystische Erretterfigur zelebrieren, wie dies bisweilen in den Rängen der Homöopathie-Anhängerinnen und -Anhänger geschieht. Dennoch ist nicht zu bestreiten, dass Hahnemanns Werk noch heute von hoher Bedeutung ist, hat sich doch um seine Lehre ein quasi-religiöser Kern von Huldigung und Verehrung gebildet.
Die Gesellschaft für kritisches Denken hat in diesem Jahr Hahnemann wieder mit einer 10:23-Aktion gewürdigt: Wie der GkD-Präsiden Ulrich Berger beschreibt, wurde dieses Jahr erneut öffentlichkeitswirksam eine «Überdosis» homöopathischer Präparate eingenommen, unter dem Motto «nix drin, nix dran». Selbstverständlich lassen sich Freunde der Homöopathie durch solche Aktionen nicht von ihren Überzeugungen abbringen – problemlos können Gründe hergeleitet (oder herbeigedichtet) werden, warum solche «Überdosen» gar nicht schlimm seien und eigentlich gar nicht zu erwarten ist, dass dabei etwas passiert.
Es lohnt sich trotzdem, so meine ich, zum Geburtstag Hahnemanns darauf aufmerksam zu machen, dass Homöopathie seit den Lebzeiten Hahnemanns keinen Fortschritt erlebt hat: Weder hat die Theorie hinter der angeblichen Wirkungsweise der Homöopathie in irgendeiner Form Differenzierung oder Weiterentwicklung erfahren (abgesehen von dem Versuch, Quantenphysik zu usurpieren), noch sprechen die empirischen Daten für eine Wirkung jenseits unspezifischer Effekte, also jenseits des Placebo-Effektes. Gleichzeitig haben andere wissenschaftliche Disziplinen grosse Fortschritte seit den Zeiten Hahnemanns erlebt, hat sich gerade Medizin aufgrund des konsequenteren Einsatzes der wissenschaftlichen Methode bei der Prüfung von Heilverfahren weg von einer blossen Kunst hin zu Wissenschaft entwickelt.
In Anbetracht des Umstandes, dass im Jahr 2013 viele Menschen die Errungenschaften und die Funktionsweise der modernen Wissenschaft ignorieren und stattdessen meinen, in einem über 150 Jahre altem Buch, der 6. Auflage des Organons der Heilkunst, absolute und unwiderlegbare Wahrheiten zu finden, muss man demonstrativ anstossen.
Das Mittel meiner Wahl ist ein homöopathisches Arzneimittel gegen Schlafstörungen. Natürlich ist das nicht ganz zufällig, sondern durchaus von James Randi inspiriert. Aber tatsächlich leide ich ein Stück weit an Schlafstörungen – so, wie viele von uns daran leiden, die wir doch alle unregelmässig und tendentiell zu wenig schlafen.
Auf der Verpackung ist schön angegeben, wogegen das Mittel helfen soll, und die freundliche Pharma-Assistentin in der Apotheke konnte mir rasch helfen, als ich meine Symptome geschildert habe. Auch hat mir die junge Frau, nein, das Mädchen, schön erklärt, dass Homöopathie eben weniger gefährlich sei als die «chemischen» Sachen. Was sollte sie mir auch anderes erzählen? Sie meinte es ja nicht böse, und die Homöopathie kennt sie im Detail wohl genauso wenig wie evidenzbasierte Medizin – sie ist schlicht in ein Gesundheitssystem hineinsozialisiert worden, welches Homöopathie wie richtige Medizin behandelt, und sie fungiert in diesem System als Verkäuferin von Medizin. Das, was im Regal steht, wirkt natürlich auch.
Knapp 19 Schweizer Franken für ein Fläschchen Globuli ist, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis bedacht wird, nicht wenig Geld:
Der Beipack-Zettel (welchen die Pharma-Assistentin letztlich doch löblicherweise auch gut kannte; bei richtigen Medikamenten wird sie also Auskunft geben können) spricht Bände: Beim Zubettgehen 7 Globuli schlucken. Wenn nichts passiert, nach 15 Minuten wiederholen. Wenn man nachts aufwacht, auch wieder Globuli schlucken. Und ansonsten auch morgens, mittags und abends. Klingt fast nach Placebo.
Gerade bei Leiden wie Schlafstörungen können Placebo-Effekte verhältnismässig viel bewirken: Dadurch, dass wir aktiv versuchen, unseren Alltag anders zu gestalten, können wir Stress reduzieren und aus gewohnheitsmässigen Verhaltensmustern austreten. Die Pharma-Assistentin hat mir denn auch ganz explizit geraten, abends zu entspannen, allenfalls in einem Buch zu lesen, um so Stress zu reduzieren. So wirke die Homöopathie besser.
Das Mittel gegen Schlafstörungen ist übrigens eine Kombination verschiedener homöopathischer Präparate:
Die Potenzen D12 und D15 stossen zwar nicht in die Bereichen der sehr hohen homöopathischen Potenzierung vor, stehen aber immerhin deutlich über einem evidenzbasiert relevantem Verdünnungsgrad. Nachgefragt habe ich nicht, aber es gibt sicher eine sinnvolle Erklärung für diese Zusammenstellung (Und für ein Paradoxon der modernen Homöopathie: An und für sich dürften keine homöopathischen Präparate für bestimmte Indikationen wirksam sein können, weil das jeweils passende Mittel nur individuell ermittelt werden kann. Aber ganz offensichtlich können Firmen wie Similasan doch für bestimmte Indikationen allgemein wirksame Globuli anbieten. Die Wege der Potenzierung sind unergründlich.).
Über die offenkundige Eigentümlichkeit der Homöopathie grübelnd, hab ich die Globuli in einen feinen Tropfen gegeben – zu Geburtstagen darf es etwas Edleres sein (den billigsten LIDL-Whisky, so im Nebensatz erwähnt, erachte ich entsprechend als durchaus edel).
Die Zuhilfenahme eines Löffels hat zwar den Auflösungsprozess der Globuli im Whisky beschleunigt, aber damit habe ich sehr wahrscheinlich gegen alle Regeln der Sukkussion (des homöopathischen Schüttel-Rituals, bei welchem die Extraportion Energie ins Wassergedächtnis fliesst) verstossen.
Der Geschmack der oben abgebildeten trüben Brühe war weitaus weniger schlimm, als das Bild andeutet.
Und warum nun eine solche fast kindische Aktion, wenn doch völlig klar ist, dass die homöopathische «Überdosis» nichts bewirken wird? Das Ziel ist selbstverständlich nicht, sich das Leben zu nehmen.
Das Ziel ist schlicht, mit einiger Zuspitzung daran zu erinnern, dass und warum es endlich an der Zeit ist, die Lehre der Homöopathie zu Grabe zu tragen.
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Bemerkung: Da zu erwarten ist, dass der letzte Satz falsch ausgelegt wird, betone ich, dass es sich um einen bildlichen Ausdruck handelt, mit welchem ich beschreiben möchte, dass die Lehre der Homöopathie gemäss dem weitegehenden Konsens wissenschaftlicher Beurteilung als widerlegt angesehen werden kann.
3 Comments on “Zum Geburtstag von Samuel Hahnemann: Anstossen mit einer «Überdosis» Homöopathie”
Marko – Maaaarrkoooo! Lebst du noch???
Ich hätte gemeint ja… aber wie es mit dem Energie-Gleichgewicht aussieht, ist offen… :).
Marko, vielleicht solltest du das Resultat deines Selbstversuches an Bundesrat Berset weiterleiten, zusammen mit Informationen über Homöopathie? Er scheint da nicht so im Bilde zu sein, wie sonst lässt es sich erklären, dass er sie in als Pflichtleistung im KVG aufgenommen hat??Ttztztz….