Astrologie – Editorial

Philipp WehrliAberglauben, BlogLeave a Comment

Liebe kritische Denkerinnen und Denker

Nach eingehender Besinnung im Vorstand der Skeptiker Schweiz haben wir beschlossen, jeweils für eine gewisse Zeit ein Thema des täglichen Aberglaubens oder des kritischen Denkens unter die Lupe zu nehmen. Die Beiträge sind nicht alle gleich ernst gemeint und reichen unterschiedlich tief. Indem wir das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten, soll aber doch ein guter und kritischer Überblick über die Problematik erreicht werden. Leserinnen und Leser sind ausdrücklich aufgefordert, durch kritische Anmerkungen, begeisterten Zuspruch, Ergänzungen, Korrekturen und Widerspruch weitere Beiträge zu initiieren. Solche Anregungen und Kritik können in unserem Forum auf Slack geäussert werden:
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Da wir uns mit Riesenschritten dem Jahresende nähern und damit unweigerlich den mit esoterischen Zeichen bebilderten Jahreshoroskopen für das Jahr 2020, wollen wir uns bis Ende des Jahres 2019 der Astrologie widmen. 

Die Sterne stehen günstig für den Beginn einer Astrologie-Kritik!

Wir wollen dies mit angemessenem Respekt tun. Denn von Anfang an waren es die Klügsten, die sich mit Astrologie befassten. Noch Johann Kepler hat für mehrere berühmte Zeitgenossen ein Horoskop verfasst. Ich gebe zu, ich wäre stolz ein persönliches Geburtshoroskop aus Keplers eigener Hand zu besitzen. Wäre das so undenkbar? Hätte Kepler nicht die Genialität besessen, in den Sternen zu lesen, dass ich heute über ihn schreibe? Hätte er dann nicht – mangels Google – in die Sterne geloogelt, was ich denn für einer sei? Er hätte dabei zweifellos einige Notizen auf ein herumliegendes Papier gekritzelt, eben mein Geburtshoroskop. Zwischen den Keplerschen Gleichungen, mit denen er zum ersten Mal die Gesetze der Planetenbewegungen exakt beschrieb!

Natürlich haben die Wissenschaftshistoriker dies alles bis heute nicht bemerkt. Aber für den Leser dürfte nach dieser Einleitung meine Jahrhunderte alte Verquickung mit den Koryphäen der Astrologie-Geschichte zweifelsfrei erwiesen sein.

Wissen die Sterne mehr über mich als Google?

Was steht denn über mich in den Sternen? – Astrologen meinen, wir können aus den Sternen nur Tendenzen ablesen. Die Tendenz, heute an einem Unfall zu sterben, soll auf magische Weise von der Planetenstellung zum Zeitpunkt meiner Geburt abhängen. Die Stellung meiner Eltern bei der Zeugung ist dagegen vernachlässigbar. Zumindest das ist beruhigend!

Der Hinweis, sie können nur Tendenzen ablesen, wird von Astrologen gerne als Entschuldigung gebraucht, weshalb ihre Vorhersagen nicht stimmen oder nicht überprüfbar seien. Aber heute können wir selbst schwache Tendenzen mit Computeranalysen zu stabilem Wissen bündeln. Angenommen, für den Zeitpunkt eines WM-Endspiels zeigen über 80% der Zuschauer eine Tendenz, abrupt zu sterben. Die Tendenz eines einzelnen Menschen sagt nichts aus. Aber wenn Tausende von Menschen gleichzeitig eine Tendenz zu sterben zeigen und wenn sich diese Menschen alle am gleichen Ort befinden, dann sollten mal alle unter ihrem Stuhl schauen, ob da nicht eine Bombe ist.

Mit anderen Worten: Wenn Astrologie funktioniert, könnten einige Astrologen den Terror effizienter bekämpfen als NSA und CIA zusammen. 

Gleichzeitig drängt sich natürlich die philosophische Frage auf, ob wir ein Schicksal, das in den Sternen steht, ändern können. Was würde passieren, wenn das Endspiel abgesagt würde? – Tausende von Menschen würden auf einen Schlag gerettet! Dadurch hätten allerdings die Planeten die starke Tendenz, an einem falschen Ort zu stehen. Sie würden ja für Tausende von Menschen eine Gefahr zeigen, die gar nicht mehr existiert. Was tun Planeten, wenn sie bemerken, dass sie am falschen Ort sind? – Vermutlich ändern sie sprunghaft ihre Position: Das würde mich von der Astrologie überzeugen, wenn wir das einmal beobachten würden!

Es geht also wahrlich um Fundamental-Fragen. Ich bin gespannt auf die kommenden Beiträge zur Astrologie!

Herzlich
Philipp Wehrli

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