Das grosse Mysterium der Astrologie

Philipp WehrliAberglauben, BlogLeave a Comment

Astrologie klingt ja grundsätzlich einmal ganz vernünftig. Wir sehen den überwältigend grossen Sternenhimmel über uns. Wir wissen, dass die Sonne Tag und Nacht bestimmt. Und die Jahreszeiten. Und damit unser gesamtes Leben. Wäre da nicht zu erwarten, dass die Unzahl der Sterne ebenfalls einen Einfluss auf unser Leben hat? Das Grosse bestimmt das Kleine!

Bei der Geburt sind wir empfindlich. Wie Konrad Lorenz zeigte, können beim ersten Kontakt mit der Welt selbst kleine Eindrücke prägend sein. Ist die Vorstellung da so absurd, dass der alles überragende Sternenhimmel uns in diesem empfindlichen Moment prägt?

Sternbild Widder

Seit Tausenden von Jahren studieren weise Menschen die Bewegungen am Himmel. Bereits in der Steinzeit haben sie Bauwerke erstaunlich präzise an den Gestirnen ausgerichtet. Für Landwirte war es entscheidend, den Rhythmus der Jahreszeiten genau zu kennen. Für die Ägypter war es wichtig zu wissen, wann das jährliche Nil-Hochwasser kam. Seefahrer und Reisende orientierten sich an den Sternen und kannten die Sternbilder mit Sicherheit besser als die meisten heutigen Astronomie-Studenten. (Ich weiss das, ich habe selbst vier Semester lang Astronomie im Nebenfach studiert). Es waren die Klügsten, welche die Sterne studierten und diese lebenswichtigen Informationen von ihnen ablasen.

Die Idee ist nicht so absurd, dass alle diese Weisen, die den Himmel während Jahrtausenden beobachteten, auch feine Korrelationen zwischen Sternbildern und Charaktereigenschaften der Menschen gefunden haben. Dass sie gewisse Tendenzen fanden, mit denen Sterne auf unsere Schicksale einwirken. Weshalb sollten wir dieses Jahrtausende alte Wissen nicht nutzen?

Wie findet man feine Korrelationen zwischen Sternbildern und Charaktereigenschaften? – Nun, man stellt mittels Persönlichkeitstests die Charaktereigenschaften von einigen Hundert Menschen fest und schaut dann, ob man Korrelationen zur Konstellation der Sterne bei ihrer Geburt findet. Ganz wichtig ist dabei, dass die Versuchspersonen nicht bereits voreingenommen sind, dass sie also nicht schon von früh auf gehört haben, welcher Typ Mensch sie aufgrund ihres Sternzeichens sein sollten. Haben die alten Astrologen etwas Derartiges gemacht? – Natürlich nicht!

Die Namen der meisten heutigen Sternbilder tauchten erstmals auf den assyrischen MUL.APIN-Tontafeln von 2300 v. Chr. bis 687 v. Chr. auf. Diese beschreiben 18 Sternkonstellationen, unter anderem auch die zwölf heute noch verwendeten Sternzeichen. Mit viel Phantasie und wenn wir jede Vernunft abschalten, können wir die Namensgebung nachvollziehen und sehen in den besagten Sternbildern die Zeichen „Löwe“, „Fische“ oder „Waage“ usw. Zwingend ist die Zuordnung aber keineswegs. Ein Laie, der in einer nicht beschrifteten Sternenkarte die Sternzeichen sucht, wird wohl allerlei Bildnisse phantasieren können, aber kaum eines der Sternzeichen richtig zuordnen.

Betrachten wir nur einmal die Sternengruppe, die damals wie heute „Löwe“ genannt wurde. Es ist ja nachvollziehbar, dass ein Sternseher hier einen Löwen erkennt. Aber ebenso gut hätte er eine Maus, ein Pferd oder einen Federhut sehen können. Die Namensgebung ist vollkommen willkürlich. 

Sternbild Löwe

Durchaus denkbar, dass diese Sternengruppe den Charakter eines Menschen prägt, wenn sie bei der Geburt in ganz bestimmter Weise auf das Neugeborene einwirkt.

Das Erstaunliche ist aber: Die unter diesem Sternzeichen Geborenen haben den Charakter eines Löwen: Mutig, selbstbewusst, königlich. Niemand käme auf die Idee, einem „Löwen“ die Eigenschaften scheu, zurückhaltend und unterwürfig zuzuschreiben. Hätte der Sternseher vor über 3000 Jahren aber das Bild als Maus interpretiert, hätten die Anfangs August Geborenen heute einen ganz anderen Charakter! Denn niemand würde eine Maus mutig, selbstbewusst und königlich nennen!

Dieses Mysterium zieht sich quer durch alle Sternzeichen. Ein Löwe oder ein Stier ist nicht verletzlich oder schüchtern. Ein Fisch nicht geschwätzig. Eine Waage ist verträglich und ausgewogen, der Widder aber kompetitiv und stur. Der Schütze ist zielbewusst und naturverbunden. Das alles ist so klar, dass wir gar nicht darüber nachdenken müssen. Aber weshalb sollte dies so sein? Die Namen der Sternzeichen sind willkürlich! Selbst wenn die Sterne den Charakter prägen, wäre es reiner Zufall, wenn sie ihn ausgerechnet nach dem Tier prägen, das dem Sternseher vor einigen Tausend Jahren zufälligerweise als erstes in den Sinn kam, als er diese Sternengruppe benannte.

Es ist tatsächlich bemerkenswert, dass in mehreren Tausend Jahren Astrologie-Geschichte nie jemand auf die Idee kam, zu überprüfen, ob die Behauptungen eigentlich stimmen. Erst seit neuerer Zeit gibt es seriöse Studien.1

Hans Eyseneck sorgte mit seiner Studie zunächst einmal für eine Überraschung bei den Skeptikern der Astrologie. Denn Eyseneck fand bei der Auswertung von Persönlichkeitstests von mehr als 2000 Personen, dass Charaktereigenschaften tatsächlich überraschend stark mit den Vorhersagen von Horoskopen korrelieren. Ein überwältigender Triumph der Astrologie? Nein. Denn Eysenecks Folgestudien zeigten, dass eine Korrelation nur dann besteht, wenn die Probanden von der Astrologie überzeugt sind und bereits wissen, welche Charaktereigenschaften zu ihrem Horoskop gehören. Wer Anfangs August geboren ist, fühlt sich mutig, weil ihm bereits zur Geburt ein Löwe auf die Wiege gemalt wurde und weil ihm seither bei verschiedenen bedeutungsschweren Gelegenheiten eingebläut wurde, er sei ein mutiger Löwe. Wer nichts von Sternzeichen weiss, hat einen eigenen Charakter, der nicht ins Weltbild der Astrologen passt. Astrologie basiert auf selbstverwirklichenden Prophezeiungen. 

Ähnliches zeigte auch der Psychologe Gutstav Jahoda. Im Volk der Ashanti in Zentralghana erhält jedes Kind einen spirituellen Namen, der vom Wochentag abhängt und dem bestimmte Charaktereigenschaften zugeschrieben werden. So kriegen z. B. die an einem Montag geborenen Kinder den Namen Kwadwo und werden für ruhig, zurückhaltend und friedlich gehalten, während die an einem Mittwoch geborenen Kwaku genannt und mit negativen Eigenschaften konnotiert werden. Jahoda zeigte, dass die Kwaku tatsächlich wesentlich häufiger in der Kriminalstatistik auftaucht.  Bei Europäern führt es nicht zu einem schlechten Charakter, wenn man an einem Mittwoch geboren wird. Die naheliegende Interpretation: Wenn man einem Menschen von klein auf sagt, er sei der Störefried, dann wird er eher kriminell. Wenn ich Kwaku genannt würde, würde ich auch kriminell!

Nun sind die meisten Eltern ja nicht so blöd, dass sie das nicht erahnen. Statistiken aus verschiedenen Kulturen zeigen, dass an den astrologisch günstigen Zeitpunkten deutlich mehr Kinder zur Welt kommen. Dies gilt insbesondere in den Kulturen, wo der Geburtszeitpunkt nicht von einem Arzt, sondern von den Eltern gemeldet wird. Dem Charakter zuliebe mogelt man eben um einige Stunden oder Tage.

Könnte es aber nicht sein, dass die Sterne zwar die Persönlichkeit und das Leben prägen, dass wir aber einfach noch nicht durchschaut haben, wie? – Wäre es so, so müssten Menschen, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort geboren wurden, die also das gleiche Horoskop haben, ein ähnliches Leben und einen ähnlichen Charakter haben. 

Genau dies wollte der britische Astrologe Geoffrey Dean beweisen. Geoffrey verglich deshalb umfangreiche Daten von über 2000 Menschen, die zwischen dem 3. und dem 9. März 1958 in London zur Welt gekommen waren. Über 70% der Personen hatte einen ‚astrologischen Zwilling’, also einen Partner, dessen Geburtszeit in den gleichen 5 Minuten lag. Geoffrey konnte aber so gut wie keine Ähnlichkeit zwischen astrologischen Zwillingen feststellen. Auch bei weiteren Untersuchungen kam er zum gleichen Resultat: Es gibt keine Belege für die Behauptungen der Astrologie. Geoffrey gilt deshalb heute unter Astrologen als abtrünnig. Er bezeichnet sich als „den meistgehassten Menschen in der Astrologie“. – Er muss unter einem sehr unglücklichen Stern geboren sein.

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References

  1. Die folgenden Untersuchungen werden detailliert behandelt in Richard Wiseman, Quirkologie, S. 24ff

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