Das «UBS Center» an der Universität Zürich: Ausverkauf der Wissenschaft oder innovatives Finanzierungsmodell?

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Das «UBS International Center of Economics in Society» an der Universität Zürich gibt dieser Tage wieder zu reden, wie der Tages-Anzeiger berichtet:

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Der zunächst geheim gehaltene Vertrag zwischen der UBS und der Universität Zürich wurde aufgrund eines Entscheides der Rekurskommission der Zürcher Hoschulen offengelegt, wie einer der involviertern Journalisten auf Öffentlichkeitsgesetz.ch schreibt.

Wie delikat ist der Inhalt des Vertrages? Erkauft sich eine Bank für 100 Millionen Franken den Hauch von Wissenschaftlichkeit, oder handelt es sich schlicht um einen neuen Weg der Finanzierung von Wissenschaft, wie er in Zeiten nicht grosszügiger werdender staatlicher Unterstützung von Wissenschaft vielleicht nötig ist?

Assoziierte Institute an der Universität Zürich

Zunächst lohnt es sich, auf einen Aspekt dieser Geschichte einzugehen, welchen der Artikel im Tages-Anzeiger sowie ein weiterer Folgeartikel gar nicht ausleuchten: Die eigentliche Form des «UBS Center» als Organisation im Kontext der Universität Zürich. Hier liegt womöglich grosse Verwirrung vor, denn der Eindruck, die UBS habe sich einfach an die Universität Zürich «eingekauft», stimmt nicht – als Organisation ist das «UBS Center» eigentlich nichts wirklich Neues.

Beim «UBS Center» handelt es sich um ein sogenanntes «assoziiertes Institut» der Universität Zürich. Momentan existieren 15 assoziierte Institute:

Was aber sind assoziierte Institute? Das «Journal», eine Publikation der Universität Zürich, beschreibt diese Institute in Ausgabe 5/13 wie folgt:

Die assoziierten Institute der Universität Zürich nehmen als selbstfinanzierte Organisationen eine Schnittstelle zwischen akademischer Welt und Privatwirtschaft ein. Die Güter, die sie produzieren und anbieten, sind innovative Ideen, Erkenntnisse, Analysen, wissensbasierte Dienst­ leistungen. Damit gehören sie zu den neuen Akteuren in einem stark gewachsenen Markt für anwendungs­ orientierte Forschung und wissenschaftliche Expertisen, etwa auf den Feldern Bildung, Erziehung, Gesundheit und Gesellschaft.

Zusammenfassend werden im Journal sieben Vorteile assoziierter Institute genannt:

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Assoziierte Institute sind explizit «Geschäftsmodelle», um «wissenschaftsnahe Ideen und Dienstleistungen» zu erbringen. Da ich persönlich in einem assoziierten Institut involviert war, kann ich über Sinn und Unsinn dieser Organisationsform aufgrund von Befangenheit nicht objektiv argumentieren. Klar scheint allerdings, dass das Abkommen des «UBS Center» nicht ein 08/15-Abkommen für assoziierte Institute darstellt.

Im nur drei Seiten umfassenden «Reglement für Assoziierte Institute der Universität Zürich» wird festgehalten, was das Verhältnis von assoziierten Instituten zur Universität Zürich ist. Der Vertrag der UBS mit der Universität Zürich unterscheidet sich in einigen Punkten von dem Rahmen, wie er im Reglement skizziert wird, und weist darüber hinaus einige sonstige möglicherweise problematische Aspekte auf.

Eine der wesentlichen Eigenschaften assoziierter Institute an der Universität Zürich ist, dass Professuren nicht zu assoziierten Instituten gehören, sondern nur zu regulären Instituten. Im Falle des «UBS Center» bedeutet das, dass die UBS im Grunde zwei separate Dinge macht:

  • Zum einen wurde ein assoziiertes Institut gegründet und (z.T.) finanziert.
  • Zum anderen zahlt die UBS voraussichtlich fünf Stiftungsprofessuren am Institut für Volkswirtschaftslehre.

Hierin besteht eine der wesentlichen Gefahren des Verlustes der Unabhängigkeit von Forschung. Die UBS erstellt ein assoziiertes Institut (legal und üblich an der Universität Zürich) und «kauft» de facto zusätzlich noch eine Reihe von Professuren (nicht legal und nicht üblich). Sind hierfür Indizien im Vertrag gegeben?

Der Vertrag

Hier möchte ich nicht den ganzen Vertrag durchgehen, sondern nur jene Punkte, welche wichtig bzw. problematisch sind.

Zunächst die Frage: Können die Stiftungsprofessuren frei forschen? Dieser wichtige Punkt ist in Abschnitt 5.3 geklärt:

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Es ist klar und deutlich festgehalten, dass die Professuren und allfällige Assistenzprofessuren autonom und im Rahmen des Institutes für Volkswirtschaftslehre forschen. Nur ist die Hälfte des Abschnittes zensiert – das ist schlicht nicht gut genug; der zweite Teil könnte eine Relativierung beinhalten (es soll sich bei den zensierten Teilen jeweils um Angaben zu finanziellen Fragen handeln).

Die Stiftungsprofessuren sind autonom, aber die UBS entscheidet, ob sie einen Lehrsuhl finanziert, wie in Abschnitt 5.1.2 beschrieben wird:

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Das bedeutet, dass die UBS das inhaltliche Profil des Lehrstuhls bestimmt, danach aber ein reguläres Auswahlverfahren für die personnelle Besetzung stattfindet. Das ist natürlich eine offenkundig grosse Einflussnahme auf die Professur – aber eben auch üblich für Stiftungsprofessuren und betrifft nicht nur die UBS.

In Abschnitt 4.3 wird ein etwas eigentümliches Detail festgehalten:

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Ein Mitglied des UBS-Verwaltungsrates soll Einsitz in das Beratungsgremium des Instituts für Volkswirtschaftslehre nehmen. Dabei handelt es sich um den UBS-Verwaltungsratspräsidenten Axel Weber.

Für diese Forderung gibt es wohl keine plausiblere Erklärung als die Absicht der UBS, am Institut für Volkswirtschaftslehre zusätzlich an Einfluss zu gewinnen. Der Einsitz Axel Webers in dieses Gremium hat keinerlei funktionalen Mehrwert für die wissenschaftliche Arbeit des «UBS Center», sondern nur für die strategischen Interessen der UBS selber.

Ein wichtiger, aber wiederum zensierter Teil des Vertrages ist der Abschnitt 4.2.2:

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Der Direktor und Vizedirektor des «UBS Center» werden von demselben nominiert und vom Institut für Volkswirtschaftslehre bestätigt. Der Direktor und Vizedirektor müssen zudem Professoren am Institut sein. Die weitere(n) Bestimmung(en) sind zensiert (auch hier sind vermutlich wieder konkrete Angaben seitens der UBS geschwärzt).

Der nicht-zensierte Teil des Abschnittes bedeutet, dass zwei weitere Professuren (oder genauer: die sie besetztenden Personen) indirekt an die UBS geknüpft sind, weil sie von der UBS für ihre Arbeit als Direktor und Vizedirektor mitfinanziert werden. Es handelt sich dabei um Hans Fehr und Fabrizio Zilibotti (vgl. hier). Effektiv hat das zur Folge, dass nicht nur die potenziellen fünf Stiftungsprofessuren, sondern zwei weitere reguläre Professuren Teil des «UBS Center» sind.

Ein Aspekt, der im Vergleich zum Standard-Vorgehen bei assoziierten Instituten unüblich ist, ist die Abmachung betreffend der Benutzung von Räumlichkeiten in Abschnitt 4.5.1:

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Die Universität Zürich stellt alle benötigten Räumlichkeiten komplett kostenlos zur Verfügung. Angesichts der Investition in Höhe von CHF 100’000’000 mag dies angemessen erscheinen.

Abschnitt 8.6 spricht das Recht an der Verwertung von Publikationen an:

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Diesen Aspekt finde ich persönlich lobenswert: Das «UBS Center» stellt die Ergebnisse der dort getätigten Arbeit kostenlos zur Verfügung.

In Abschnitt 9.2 ist festgehalten, welche konkreten Privilegien die UBS sich ausbedingt; auch dieser Abschnitt ist zensiert:

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Mitarbeidente und Kunden sollen bevorzugt bzw. exklusiv Zugang zu bestimmten Informationen und Dienstleistungen des assoziierten Institutes erhalten. Das mag heikel klingen und sein – zumal ein Teil des Textes zensiert ist – , aber das ist nicht unüblich für assoziierte Institute. Die Universität Zürich selber beschreibt assoziierte Institute ja als «Geschäftsmodelle», um «wissenschaftsnahe Ideen und Dienstleistungen» zu erbringen. Dieser Aspekt muss nicht von vornherein bedeuten, dass die wissenschaftliche Güte leidet.

In Abschnitt 10 schliesslich spricht die UBS eine Art Konkurrenzverbot aus:

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Es ist nachvollziehbar, dass die UBS kein Interesse an einem baldigen «Credit Suisse Center» hat, das vielleicht mit 200 Millionen Franken und 10 Stiftungsprofessuren gefördert wird. Dass die Universität Zürich aber tatsächlich eingewilligt hat, eine solche Knebel-Klausel aufzunehmen, ist unverständlich. In der Juristerei nicht bewandert, kann ich hierzu keine kompetente Einschätzung abgeben, aber die Universität Zürich scheint mit diesem Exklusitivitätabkommen einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Kompetenz freiwillig zu suspendieren.

Darf Wissenschaft gesponsert sein?

Die Situation gestaltet sich also komplexer, als vielleicht auf den ersten Blick anzunehmen ist. Das, was die UBS macht, ist weder einzigartig noch besonders neu. Die Universität Zürich kennt seit geraumer Zeit sowohl Stiftungsprofessuren als auch assoziierte Institute.

Die Problematik mit dem «UBS Center» ist eine dreifache:

  • Die von der UBS finanzierten Professuren sowie das «UBS Center» sind Vehikel für die PR-/Reputationsarbeit.
  • Die von der UBS finanzierten Professuren sowie das «UBS Center» sind strategische Mittel, mit denen die UBS unternehmerische Vorteile erhalten will.
  • Die von der UBS finanzierten Professuren sowie das «UBS Center» betreiben zweckorientierte Forschung.

Bei dem ersten Punkt ist keine Besprechung nötig.

Der zweite Punkt ist grundsätzlich einfach zu lösen. In Betreff des Vertrages der UBS mit der Universität Zürich ist komplette Transparenz nötig. Einige Massnahmen zur Qualitätssicherung, darunter jährliche Berichte aller assoziierten Institute, d.h. auch des «UBS Center», sind bereits vorhanden, und diese müssen konsequent und transparent gepflegt werden. Dass der Sinn der Übung aus strategischer Sicht vielleicht in erster Linie ist, die Reputation der UBS zu stärken, ist eine nicht veränderbare Tatsache.

Der dritte Punkt ist der schwierige, weil er die ethische Komponente von Wissenschaft an sich betrifft. Durch Drittmittel finanzierte Forschung ist in der Regel zweckorientiert, und meistens bleibt dabei die Empörung ob der Abwesenheit reiner Grundlagenforschung aus. Wenn fremdfinanzierte Forschung beispielsweise zum Ziel hat, die Ursachen von Armut und Elend zu erkennen und Wege zu deren Bekämpfung zu entwickeln, stehen solche Finanzierungsformate nicht unter Generalverdacht. Im Fall der UBS ist dies aber instinktiv so: Im Zuge der wirtschaftlich turbulenten letzten Jahre hat die UBS einiges an Sympathie eingebüsst, und wir unterstellen dieser Bank nicht einfach, dass sie mit dem «UBS Center» eine gigantische Übung in symbolischem «corporate social responsibility» zum Zwecke der Reputationsförderung unternimmt, sondern, dass das «UBS Center» in Tat und Wahrheit dazu da ist, die Universität Zürich zu unterwandern und Wissenschaft zu usurpieren. Skeptisch Eingestellte trauen solcher reflexartigen Zuschreibung moralischer Eigenschaften nicht, weil das den rationalen Blick auf den Sachverhalt trübt.

Fazit

Das bisherige Gebaren der Grossbank UBS und der Universität Zürich im Fall des «UBS Center» ist ein Kommunikationsfiasko, aber auch inhaltlich zum Teil hoch problematisch. Wer den Anspruch erhebt, Wissenschaft zu betreiben, kann die Dokumente, in denen festgehalten wird, wie dies geschehen soll, nicht geheim halten oder zensieren. Es gibt nur eine Wissenschaft, und zwar die transparente.

Die Arbeit des «UBS Center» und ähnlicher Institute sollte deswegen aber nicht im Vorfeld und grundsätzlich als wissenschaftsgefährdend angesehen werden. Aus skeptischer Sicht ist bei solchen Formen der Wissenschaftsfinanzierung für evidenzbasierte Kritik zu plädieren: Wenn die Strukturen von und zwischen «UBS Center» und der Universität Zürich solche sind, dass keine Pseudowissenschaft vorliegt (dass also nicht einfach UBS-Professuren gekauft werden um UBS-Werbung hinzuforschen) – und der zensierte Vertrag erlaubt es immer noch nicht, die Strukturen abschliessend zu beurteilen – , dann gilt es, zu beobachten, was tatsächlich wie passiert, und bei Bedarf entsprechende Kritik zu üben. Gegenwärtig scheint Kritik nach wie vor angebracht.

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