Europäischer Skeptikerkongress 2019 in Gent – zweiter Teil

Fabian FreiBlog1 Comment

Dies ist der zweite Teil des Rückblicks auf den europäischen Skeptikerkongress, der die letzten beiden Tage umfasst. Der erste Teil ist hier zu finden.

mit freundlicher Genehmigung von Jozef van Giel

ANOMALISTIC PSYCHOLOGY

Am Samstagvormittag erläutert Christine Mohr, Professorin für kognitive Psychologie an der Universität Lausanne, wie der Glaube ans Paranormale durch “Zauber”-Shows (Magier, Hellseher, Mentalisten) beeinflusst wird. Durch Befragung der Teilnehmenden vor und nach der Show, kann sie den Einfluss dieser Erlebnisse auf den Glauben ans Paranormale untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass die vor jeder Show gemachten Erklärungen, dass keine paranormalen Effekte im Spiel seien, keinen Einfluss haben. Die Zuschauenden verspüren relativ starke Emotionen und sind verunsichert, was sie glauben sollen. Vielfach führte es dazu, dass sie paranormale Phänomene zur Begründung hinzu zogen. Mit der Neuropsychologie im Zusammenhang mit Glauben beschäftigt sie sich im Übrigen schon lange. Am Denkfest 2011 hielt sie einen Vortrag darüber “Wie Dopamin Skeptiker in Gläubige verwandelt”.

Vanessa Charland, vom Universitätsspital Lüttich, spricht über ihre Forschung zu Nahtoderlebnissen. Darüber, wie diese Untersucht und Kategorisiert werden und welche Drogen zu ähnlichen Erlebnissen führen können.

Michael Heap, klinischer und forensischer Psychologe im Ruhestand aus Sheffield und Vorsitzender der Association for Skeptical Enquiry (ASKE), demonstriert, wie er in Schulklassen vermittelt, wie Wissenschaft funktioniert. Er macht das interaktiv über Beobachtung, Erklärungsversuchen und Anwendung von konkreten Beispielen, wie dem Loch Ness Monster. Er fordert sie dabei aber auch mit Gedankenlesetricks heraus.

Green skepticism

Iida Ruishalme, unter anderem europäische Geschäftsführerin von Mothers for Nuclear und Mitglied der Skeptiker Schweiz, erklärt weshalb die Ängste vor Nuklearenergie meist übertrieben sind und präsentiert Fakten zur irrationalen Gefahreneinschätzung, der Anzahl Todesopfer pro Terawattstunde für die jeweilige Produktionstechnologie und zum Umgang mit nuklearen Abfällen.

Mathijs Beckers aus den Niederlanden veranschaulicht, dass man, falls man die notwendige CO2-Reduktion für die Verhinderung des Klimawandels erreichen will, neben erneuerbaren Energieträgern, auf die Nuklearenergie angewiesen ist.

Kavin Sanapathy aus den USA referiert über GMOs (genetically modified organism), die Ängste in der Bevölkerung, die verschiedenen Vorteile, die sie bieten und auch welche Konsequenzen ein allfälliger Verzicht auf die Ernährung der Weltbevölkerung und den Klimawandel haben kann.

Der Agronom André Fougeroux aus Frankreich weist auf die zunehmende Diskrepanz zwischen der Vorstellung der Konsumenten und der Realität in der Landwirtschaft hin. Es gibt zunehmend Fehlinformationen und sogenannte Sündenböcke wie GMOs, Glyphosat oder Tierhaltung. Die Konsumenten haben zunehmend Angst vor den Nahrungsmitteln und tendieren zur “biologischen” Landwirtschaft, die aber bitteschön nicht zu teuer sein darf (in der Schweiz spielen die Kosten wohl nicht so eine hohe Rolle wie in Europa). Er stellt fest, dass viele Missverständnisse vorhanden sind und dies zu einer generellen Verwirrung führt.

Der Themenblock wird mit einer Podiumsdiskussion mit allen Referenten und dem Publikum abgeschlossen.

Am diesem Abend findet das Kongress-Bankett statt, an welchem auch die meisten Referenten teilnehmen und somit ein guter Rahmen für eingehende Diskussionen bietet.

How con men operate

Am letzten Tag bietet Sophie van der Zee, Assistenzprofessorin für Verhaltensökonomie an der Erasmus Universität Rotterdam, einen Einblick in das Agieren heutiger Online-Betrüger. Sie nutzen Online-Plattformen um an technisches Know-how und entsprechende Dienstleistungen zu gelangen. Dabei spielt Geld nach wie vor eine wichtige Rolle, womit auch Dienstleistungen zum Geldwaschen (inkl. Kryptowährungen) eine hohe Nachfrage geniessen. Sie zeigt wie gewisse Betrugsmaschen funktionieren und welche Eigenheiten sie aufweisen.

Johan Braeckman, Professor für Philosophie an der Universität Gent, illustriert Betrug in der Kunstwelt am Beispiel von Henricus Antonius „Han“ van Meegeren, der Werke von Johannes Vermeer fälschte und verkaufte, indem er unter anderem behauptete, die Bilder wären in dessen jüngeren Jahren entstanden und hätten deshalb noch nicht die Ausdruckskraft bisher bekannter Spätwerke. Sogar Reichsmarschall Hermann Göring konnte er eines seiner Bilder andrehen. Um nach dem Krieg die Anschuldigung einer Kooperation mit den Nazis zu entkräften, war er jedoch gezwungen die Fälschungen einzugestehen.

Zum Abschluss klärt uns Inge Jeandarme, Professorin für forensische Psychologie an der Universität Löwen über Psychopathen auf. Es sind keine gewöhnlichen Kriminelle und haben ein profundes, emotionales Defizit. Ausserdem sind nicht alle Psychopathen kriminell, d.h. es gibt einen gewissen Anteil davon in der Bevölkerung. Sie zu identifizieren ist nicht einfach. Dazu wird ein formalisierter Test benötigt, da unser Bauchgefühl dazu nicht in der Lage ist. Zudem ist eine allfällige Behandlung schwierig, wenn sie denn damit einverstanden sind (denn oft fehlt der Leidensdruck oder die Krankheitseinsicht).

Mit der Erkenntnis, dass statistisch betrachtet ein Psychopath unter den Teilnehmenden des Kongresses war, endet dieser nach vier informativen und anregenden Tagen. Wo und wann genau der nächste stattfindet (und wer dort die Psychopathen vertreten wird), steht derzeit noch zur Diskussion, aber sicherlich im Jahr 2021.

(Die Vorträge wurden aufgezeichnet und werden nach und nach auf Youtube veröffentlicht.)

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