Ist der Wahlsieg Obamas auch ein Sieg für Wissenschaft?

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 Barack Hussein Obama, der gegenwärtige Präsident der USA, hat die Wahl gegen Willard Mitt Romney gewonnen, und wird ab dem 21. Januar 2013 seine zweite Amtszeit antreten.

Diese Information dürfte aber für kaum jemanden neu sein, erfreuten sich die US-Wahlen doch einer medialen Omnispräsenz auch in der Schweiz, was bisweilen zu vielleicht nicht ganz gehaltvoller Bericherstattung führte:

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Gibt es darüber hinaus aber Anlass, die Wahl Obamas aus skeptischer Sicht zu kommentieren? Ein grundsätzliches Thema wäre sicherlich das archaische und recht umständliche  Präsidentschafts-Wahlsystem der USA.

An dieser Stelle soll aber ein Blick auf die Positionen des US-Präsidenten und des gescheiterten Kandidaten in Bezug auf konkrete Fragen zu Wissenschaft und kritischem Denken geworfen werden. Wer der Berichte rund um die Präsidentschaftswahl überdrüssig ist, sei daran erinnert, dass die Vereinigten Staaten nach wie vor einer der wichtigsten wissenschaftlichen Brutkästen der Welt ist:

science spendingSchon allein darum kann nicht egal sein, was die Positionen des US-Präsidenten gegenüber Wissenschaft sind.

Die Demokratische und die Republikanische Partei

Barack Obama ist Mitglied der «Demokratischen Partei», Mitt Romney der «Republikanischen Partei». Das präsidentielle Wahlsystem der USA bedingt zwar, dass der Präsident nach der Wahl aus formell-institutioneller Sich praktisch unabhängig vom Kongress und den dortigen Machtverhältnissen seines Amtes sicher ist (ausser in Sondersituationen wie einem Amtsenthebungsverfahren). Trotzdem prägt die Politik der jeweiligen Partei in der Regel stark die Politik des jeweiligen Präsidenten.

Ein erster Annäherungspunkt zu der Haltung der beiden grossen Parteien sind die Einstellungen der US-amerikanischen Bürgerinnen und Bürger gegenüber Wissenschaft. Hier zeigt sich, dass die politischen Überzeugungen keinen gravierenden Effekt auf die Wissenschaftsreundlichkeit zu haben scheinen, in bestimmten Aspekten aber deutliche Unterschiede bestehen (Bildquelle):

Republicans vs. Democrats: Who Rallies for Science?
Die Bedeutung von Wissenschaft wird von eher demokratisch wie von eher republikanisch eingestellten Menschen in etwa gleich bewertet. Ein wesentlicher Unterschied ist aber in der Beurteilung unterschiedlicher Finanzierungsquellen wissenschaftlicher Tätigkeit vorzufinden: Demokraten neigen deutlich eher dazu, den Staat als Förderer von Wissenschaft anzusehen, während Republikaner eher bereit sind, private Fördermittel als zielführend zu betrachten.

Dieser kleine Ausschnitt über die Befindlichkeiten der US-Wählerschaft ist sicher nicht erschöpfend, steht aber in einem gewissen Kontrast zu der Politik des republikanischen Parteipersonals der letzten Jahre, das nicht zuletzt durch die antirationalen Exponentinnen und Exponenten der «Tea Party»-Bewegung geprägt wurde: Homosexualität ist eine heilbare Krankheit, menschenverursachter Klimawandel korrupte Wissenschaft oder gar eine Grossverschwörung, Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung der Beweis, dass die Frau dem Sex eigentlich zustimmte, die wissenschaftlichen Theorien der Evolution und des Urknalls sind satanische Lügen.

Der Podcasthost und Autor Chris Mooney argumentiert in seinem Buch «The Republican War on Science», die Republikanische Partei weise nicht nur solche vereinzelten antirationalen Ausreisser auf, sondern sei durch eine systematische Wissenschaftsfeindlichkeit geprägt. In dieser Einschätzung ist Mooney nicht alleine. Während demnach pseudowissenschaftliche Bewegungen wie jene der Impfgegner oder Verfechter diverser unwissenschaftlicher «New Age»-Lehren und Heilsversprechen eher Sympathien zu der Politik der Demokraten aufweisen, sind dies nicht Positionen, welche die Demokratische Partei bzw. deren Ämter innehabende Mitglieder selber vertreten. Unwissenschaftliche Lehren finden also bei der republikanischen Parteielite stärkere Verankerung.

 Barack Obama und Mitt Romney

Auf den ersten Blick scheinen Republikaner also tendenziell stärker wissenschaftsfeindliche Positionen zu vertreten als Demokraten. Äussert sich dieser Eindruck auch entsprechend für Mitt Romney und Barack Obama?

Ein erster Annäherungspunkt sind die Argumente der Obamas und Romneys im Rahmen der Initiative «ScienceDebate», mit der versucht wird, für politische Ämter Kandidierende über Wissenschaft und Wissenschaftspolitik debattieren zu lassen. Obama und Romney haben leider nicht tatsächlich eine solche Debatte geführt, sondern nur Statements für die Webseite abgegeben (d.h. natürlich, ihre Kampagnen-Teams haben Statements abgegeben, nicht Obama und Romney selber).

Die Kandidaten haben Fragen zu 14 (teilweise ineinander greifenden) Themen beantwortet: Innovation und die Wirtschaft, Klimawandel, zukünftige Forschungsgelder, Pandemien und Biosicherheit, Bildungspolitik, Energiepolitik, Nahrung(smittelsicherheit), Trinkwasser, Internetregulation, Gesundheit der Ozeane, Wissenschaft in Politiksetzung, Weltraumforschung, Knappheit natürlicher Ressourcen, Impfungen und Volksgesundheit.

Die Antworten auf die Fragen fallen insgesamt sehr ähnlich aus, wobei in Nuancen die Parteizugehörigkeit ersichtlich wird: Romney betont in Energiefragen ein wenig stärker die Bedeutung fossiler Brennstoffe, Obama die Bedeutung erneuerbarer Energien. Allgemein ist bei Romney der Wunsch nach weniger Regulierung und dadurch angeblich erhöhter Innovationskraft vor allem privater Forschung ein roter Faden, wobei er keine Fundamentalopposition gegen staatliche Forschungsförderung postuliert. In der Frage des menschenverursachten Klimawandels versucht Romney eine pragmatische Haltung einzunehmen, indem er beschreibt, dass seine Lesart der Forschung ist, dass solcher Klimawandel stattfinde. Weil es aber keinen wissenschaftlichen Konsens gäbe, sei die Frage noch nicht abgeschlossen – dies ist eine recht typische Aussage für den als «flip flopper» bekannten Romney, der je nach politischen Opportunitäten seine Positionen wandelt.

Insgesamt münden die «ScienceDebate»-Fragen in letztlich politischen Stellungnahmen. Das kann ein gutes Zeichen sein – so scheinen weder Obama noch Romney dezidiert antiwissenschaftliche Positionen einzunehmen. Und viele gesellschaftlich relevante Aspekte von Wissenschaft betreffen politische Fragen; etwa, ob die grosse politische Macht der Lehrergewerkschaften die Qualität des öffentlichen Schulunterrichts hemmt. Besondere Leidenschaft für Wissenschaft scheinen indes weder Obama noch Romney zu haben: Beide sehen Wissenschaft als Vehikel, den amerikanischen Wohlstand zu erhöhen.

Ein Punkt, der nicht unerwähnt bleiben soll, ist Religion: Sowohl Obama als auch Romney bezeichnen sich als gläubige Christen. Die spezifische religiöse Überzeugung Romneys, die u.a. der Grund ist, warum Romney Zauberunterwäsche trägt, wurde im Vorfeld der Wahl kontrovers diskutiert – Mormonentum wird von vielen christlichen Glaubensgemeinschaften als bestenfalls christliche Sekte, schlimmstenfalls Blasphemie betrachtet.

Kann der Mormone Mitt Romney, der auch schon Bekehrungen von Toten durchgeführt hat, eine sinnvolle Einstellung zu Wissenschaft haben? Die (nur im erste Moment zynische) Antwort ist, dass Romneys Geschäftssinn bisher immer seine religiösen Gefühle übertrumpft hat, und er entsprechend Wissenschaft als wichtige Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht behindern möchte. Das Mormonentum ist in der Tat eine eigentümliche Religion, die aber vor allem verlacht wird, weil sie jünger als die grossen abrahamitischen Religionen ist.

Die mormonische Moral scheint eine sehr pragmatische zu sein, bei der Regelverstösse Konsequenzen für das angebliche Jenseits haben – aber diese Regeln dürfen im Diesseits anderen Menschen nicht aufgezwungen werden. Ein kurz vor der Wahl erschienenes Video zeigt, wie Romney bei einem Radiointerview die Fassung verliert, als er über seine Religion berichtet. Was aber durchdringt, ist Romneys mormonische Haltung, dass Abtreibung zwar gegen das Gebot seiner Kirche verstosse, aber daraus kein Anspruch entstehe, ein solches Gebot in der weltlichen Politik zu verankern.

Fazit

Ist der Sieg Obamas nun auch ein Sieg für Wissenschaft?

Falsch wäre es, Obama als Kämpfer für Wissenschaft und kritisches Denken zu bezeichnen, und Romney als das streng religiöse, irrationale Gegenpol. Sowohl Obama als auch Romney scheinen die Rolle der Wissenschaft für die Vereinigten Staaten zu erkennen (wenn sie auch beide eine verkürzte ökonomistische Perspektive haben).

Dennoch ist mit Obama wohl der «wissenschaftstauglichere» Kandidat gewählt: Während Romney kein explizit antiwissenschaftliches Weltbild vertritt, ist seine Karriere von sehr grossem Opportunismus geprägt (schon der Romney aus dem republikanischen Vorwahlkampf und der Romney aus dem Wahlkampf gegen Obama sind recht unterschiedliche Personen). In der gegenwärtigen politischen Realität der USA, die eben auch durch bestimmte antiwissenschaftliche Strömungen in der Republikanischen Partei gekennzeichnet ist, würde Romney in dieser Hinsicht schlicht Risikopotential bergen.

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