Science meets Fiction: Über den Wissenschaftsthriller „Kalte Saat“

Christoph SeidlerBlogLeave a Comment

Niemand steht gern vor einer verschlossenen Tür. Und Journalisten schon gar nicht. Zu den Annehmlichkeiten ihres Jobs gehört es, manchmal dort Einlass zu bekommen, wo andere keinen Zutritt haben. Anschließend berichten sie dann ihren Lesern oder Zuschauern darüber. Ich bin Journalist, Wissenschaftsjournalist, um genau zu sein. Aber bei einer ganz bestimmten Tür half mir das überhaupt nicht. Sie war aus Edelstahl, mit zwei Schlössern gesichert, und so verschlossen wie es eine Tür nur sein konnte. Und sie blieb es auch.

Die Tür gehörte zu einem ganz besonderen Gebäude an einem Berghang in der Nähe von Longyearbyen, so heißt der Hauptort der Arktisinsel Spitzbergen. Dort liegt der „Svalbard Global Seed Vault“, der internationale Saatguttresor. In diese Anlage kommen nur sehr wenige Menschen hinein, vor allem aus Sicherheitsgründen. Das Ding ist nämlich eine Art biologisches Bankschließfach für die Menschheit. Hier sind, tief im arktischen Permafrost, hunderttausende Saatgutproben von Kulturpflanzen gelagert. Die Idee dahinter: Wenn eine Pflanzenart auf der Erde einmal ausstirbt – durch Naturkatastrophen, Atomkriege oder Epidemien zum Beispiel –, dann kann sie später von Spitzbergen aus wieder nachgezüchtet werden. Besonders im Blickpunkt stehen landwirtschaftlich genutzte Pflanzen aus der Dritten Welt.

Betrieben wird die Genbank vom Welttreuhandfonds für Kulturpflanzenvielfalt (Global Crop Diversity Trust). Und dort kann man natürlich jede Menge Informationen über die Arbeit des „Svalbard Global Seed Vault“ bekommen, auch Fotos aus dem Inneren. Und doch ließ mich die verschlossene Tür nicht los. Ganz im Gegenteil: Sie brachte meine Phantasie auf Trab! Die Anlage war also eine Art riesiges Bankschließfach. Aber was bedeutete das in der Praxis? Das bedeutete doch, dass sie – wie ein normaler Safe – auch ausgeraubt werden könnte. Nur: Wer würde so etwas tun? Und was hätte das für Konsequenzen?

Saatgut und der Zugang dazu, Pflanzenzucht, Biopiraterie – das sind alles scheinbar komplizierte, sperrige Themen. Doch sie haben sehr konkrete Implikationen: Schon jetzt bekommt etwa jeder achte Bewohner der Erde nicht genug zu essen. Und damit neun Milliarden Menschen im Jahr 2050 auch nur ansatzweise satt werden, muss die landwirtschaftliche Produktion um mehr als 70 Prozent steigen. Bei der Herstellung von Getreide sind die nötigen Zuwächse sogar noch höher. Forscher gehen davon aus, dass sich die Nachfrage innerhalb der nächsten 30 bis 40 Jahren weltweit verdoppeln wird. Gleichzeitig werden die Ernten aber vielerorts sinken. Das hat der Uno-Klimarat vorgerechnet.

Wie weit darf man gehen, um den Hunger auf der Welt zu bekämpfen? Darf man, sagen wir, einen biologischen Bankraub begehen? Und darf man womöglich unvorstellbar viel Geld damit verdienen?

Freilich, man hätte all diese Fragen in einem Essay diskutieren können. Doch ich entschied mich für einen anderen Weg: Ich habe die Genbank zum zentralen Ort eines Thrillers gemacht. Er heißt „Kalte Saat“ und ist vor wenigen Tagen erschienen. Die Handlung ist selbstverständlich komplett fiktiv. Wo es Ähnlichkeiten zur Realität gibt, sind sie reiner Zufall.

Aber all diese Dinge könnten eben doch passieren: Die Geschichte beginnt in einem ehemaligen Militärbunker, tief unter den Gipfeln der Schweizer Alpen, wo Großkonzerne ihre wertvollsten Computerdaten vor Spionage schützen. Von dort geht es in die Unendlichkeit der Arktis.

Und diesmal öffnet sich die Tür des Saatguttresors, versprochen!

Informationen zum Buch

„Kalte Saat“ ist bei Amazon.de als eBook und Taschenbuch erhältlich:

Zum Autor

Christoph Seidler, geboren 1979 in Halle (Saale), hat Internationale Beziehungen in Dresden, Lausanne, Berlin und Oslo studiert. Er hat unter anderem für den MDR-Hörfunk und die Vereinten Nationen gearbeitet. Heute ist er Wissenschaftsredakteur im Berliner Büro von SPIEGEL ONLINE. Für seine Reportagen ist er unter anderem in die Kälte der Schweizer Bunker hinabgestiegen und auf Spitzbergen mit dem Schneemobil unterwegs gewesen.

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