Naturheilkunde an der Universität Zürich: Wissenschaft unerwünscht?

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Vor über zwei Jahren, im Juni 2010, habe ich einen Blogeintrag mit dem Titel «Universität Bern und ‹KIKOM›: Wissenschaft unerwünscht» geschrieben, in welchem ich die «KIKOM», die «Kollegiale Instanz für Komplementärmedizin», kritisiere. Dieser Blogeintrag war fundamentale Kritik an der KIKOM, weil dort nicht ergebnisoffene Wissenschaft betrieben wird, sondern kaum verschleierte Rechtertigungsarbeit für «komplementärmedizinische» Verfahren.

Der im Titel dieses alten Blogeintrages verwendete Ausdruck «Wissenschaft unterwünscht» war ein Stück weit Provokation, aber mehr noch Empörung ob solcher institutionalisierter, durch Steuergelder finanzierter Pseudowissenschaft. Nicht, weil es um Forschung zu Homöopathie, Anthroposophie, Neuraltherapie und weiteren wissenschaftlich problematischen Lehren geht, sondern, weil die wissenschaftliche Methode der kritischen Wahrheitssuche zugunsten der Bestätigung im Voraus definierter Glaubenssätze missachtet wird.

Dass ich nun ein weiteres Mal den Ausdruck «Wissenschaft unerwünscht» in einem Titel verwenden muss – wenn auch vorläufig mit einem Fragezeichen versehen – , schmerzt. Immer, wenn sich pseudowissenschaftliche Überzeugungen an Hochschulen einzunisten drohen, wenn also die einstigen Horte des Fortschrittes und der Aufklärung zu Brutkästen sich der Kritik verweigernden Ideen degenerieren, bleibt ein tiefsitzender Schmerz, da preisgegeben wird, was nicht preisgegeben werden darf.

Diese Entwicklung bahnt sich bei der Neubesetzung des Naturheilkunde-Lehrstuhls der Universität Zürich an: Edzard Ernst, ausgewiesener Experte für die evidenzbasierte Beurteilung alternativmedizinischer Verfahren, war Mitglied der Berufungskommission für die Neubesestzung des Lehrstuhls. Wie sueddeutsche.de berichtet, ist er es nicht mehr:

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Mit Edzard Ernst wurde die Stimme der rationalen, evidenzbasierten Alternativmedizin (d.h., der evidenzbasierten Medizin) aus der Berufungskommission gedrängt – das verheisst wenig Gutes.

Sind Nahtoderfahrungen ein Fenster ins Jenseits?

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Katzman

Am 23. Oktober war der Schweizer Musiker Bo Katzman (mit bürgerlichem Namen Reto Borer) zu Gast in der Sendung «TalkTäglich» des Regionalsenders TeleZüri.

Katzman

Katzman ist nicht ein beliebiger Musiker, sondern religiöser Gospel-Sänger. Zu seinem Glauben fand er durch eine sogenannte «Nahtoderfahrung»: Nachdem er bei einem Unfall lebensbedrohlich verletzt wurde, hatte Katzman, so erklärt er in der Sendung, eine Episode ausserkörperlicher Erfahrung gemacht, während der er Kontakt mit dem Jenseits und mit dem Göttlichen gemacht hat.

Dieses aussergewöhnliche Erlebnis hat Katzman im Buch «Zwei Minuten Ewigkeit» verarbeitet, das er in TalkTäglich bewarb:

Katzman Buch

Was hat es mit Nahtoderfahrungen auf sich? Sind sie tatsächlich Beweise für die Existenz einer vom physischen Körper getrennten Seele und einer «geistigen» oder gar «göttlichen» Welt?

«Kassensturz» testet Paranormale: Die Löffelbiegerin

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anja felder löffelbiegerin

Die Serie der Verbraucherschutzsendung «Kassensturz», in der Paranormale getestet werden, ging am 16. Oktober in die dritte Runde. Dieses Mal versuchte die «mediale Trainerin» Anja Felder, das Preisgeld in Höhe von 10’000 Franken zu erarbeiten.

Die Fähigkeit, die Anja Felder zu demonstrieren versuchte, ist Löffelbiegen. Ihr Tun und ihre Haltung im Allgemeinen beschreibt sie in Minute 3 (Übersetzt aus dem Schweizerdeutschen):

Für den Spirituellen bin ich vielleicht ein bisschen zu wissenschaftlich, eben, Grundlagen meiner Arbeit sind eigentlich Quantenphysik und Hirnforschung. Für die Medizin bin ich wiederum ein bisschen zu spirituell, weil ich auf der feinstofflichen, unsichtbaren Ebene arbeite.

Es zeugt von einem interessanten Selbstbild, wenn jemand, der auf der «feinstofflichen» Ebene zu arbeiten meint, für sich überhaupt irgendeine Form von Wissenschaftlichkeit beansprucht. Grundlage ihrer Arbeit ist denn auch nicht Quantenphysik, sondern, wie z.B. das Feilbieten der pseudowissenschaftlichen Therapie der «Quantenheilung» demonstriert, Quantenmystik. Anja Felder versucht, Quantenphysik zu usurpieren, um damit für in keiner Weise wissenschaftliche Ideen Glaubwürdigkeit zu haschen: Man darf alles behaupten, die zauberhaften quantenphysikalischen Effekte werden das schon irgendwie richten. Quantenphysik ist womöglich die empirisch am besten untersuchte Theorie der Naturwissenschaften – demgegenüber hat Quantenmystik als esoterische Rechtfertigungsstrategie nichts vorzuweisen.

Doch zurück zu den Löffeln. Bei Löffelbiegen erwarte ich persönlich eigentlich eine Vorführung. wie sie der Löffelbieger par excellence, Uri Geller, früher kannte:

Geller ist zwar ein klassischer Trickbetrüger (was natürlich nicht bedeutet, dass Anja Felder auch automatisch eine sein muss), sein Vorgehen erfüllt aber immerhin die Erwartungen an Übersinnliches: Auf die Löffel wird nur sanft, wenn überhaupt, eingewirkt, und der letztliche Effekt ist angeblich das Ergebnis einer anderen, womöglich paranormalen Energieform.

Anja Felder liefert Folgendes:

anja felder löffelbiegerin

Sie knetet tatsächlich munter drauflos.

Die wirre Welt der Finanzastrologie

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The only function of economic forecasting is to make astrology look respectable.

 

Dieser bekannte, vom Ökonomen John Kenneth Galbraith geäusserte Spruch beinhaltet die Essenz auch der aktuellen Kritik an einigen gängigen wirtschaftswissenschaftlichen Ansätzen, bei denen Wirtschaftswissenschaft nicht mehr als Sozialwissenschaft, sondern im Wesentlichen als Naturwissenschaft behandelt wird.
Das mündet aber bald in Problemen, weil Ökonomie als eine der «Soft Sciences», also als eine der weichen Wissenschaften, ob der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes (kontingentes, d.h. nicht grundsätzlich berechenbares menschliches Handeln auf Mikro-, Meso- und Makroebene) eben nur retrospektiv analysieren und nicht prospektiv voraussagen kann, wie dies etwa Physik oder Chemie mit ihren Untersuchungsgegenständen tun (vgl. zu einer ausführlicheren Unterscheidung zwischen «weichen» und «harten» Wissenschaften «Nonsense on Stilts» von Massimo Pigliucci).

Die kritische Diskussion rund um Möglichkeiten und Grenzen der Wirtschaftswissenschaften ist wichtig und willkommen. In diesem Zusammenhang wirkt der Artikel, welchen der Tagesanzeiger am 28. August veröffentlichte, wie ein satirischer Kommentar auf die Hybris bestimmter ökonomischer Denkschulen:

tagi bvk

Leider ist der Artikel nicht Satire und der Inhalt nicht erfunden.
Die Pensionskasse des Kantons Zürich, BVK, hat 273 Millionen Franken verloren, welche sie bei der Investmentfirma «BT&T» angelegt hatte. In einem (noch nicht veröffentlichten) Bericht einer parlamentarischen Untersuchungskommission (bestehend aus Politikern unterschiedlicher Parteien) wird dokumentiert, dass die Firma «BT&T» einen Astrologen als Berater für Investitionstätigkeiten zur Hilfe zog. Darüber hinaus nahm der Astrologe offenbar Aufgaben im Personalwesen von «BT&T» wahr.
Der gemäss Tagesanzeiger-Artikel für die Anstellung des Astrologen Verantwortliche, Walter Meier, ist nach wie vor als Verwaltungsratspräsident bei «BT&T» tätig.

Der im Tagesanzeiger geschilderte Vorfall ist für sich genommen spannend. Er wirft aber auch einige weiterführende Fragen auf: Gehört die «Beratungstätigkeit» in der Finanzwirtschaft zum regulären Betätigungsfeld von Astrologinnen und Astrologen? Und vor allem: Warum lassen sich vermeintlich hoch gebildete Menschen wie z.B. Dr. Walter Meier von der «BT&T» von solchen Dienstleistungen überzeugen – kann es sein, dass Finanzastrologie tatsächlich «funktioniert»?